Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten, ich muss hier ein weiteres mal eine Lanze für Michael Kube als Autoren der HörBar der nmz brechen. In seiner aktuellen Kritik des Stücks „Enigma“ der Komponistin Anna Thorvaldsdottir, gespielt vom Spektral Quartett geht er ganz zu Beginn auf eine technische Frage ein, die in Wirklichkeit aber eine ästhetische ist: Pause, Stille: digital. „Oft genug ärgere ich mich über CD-Produktionen, bei denen zwischen den Sätzen eines Werkes keine atmenden Pausen gesetzt wurden, gelegentlich sogar unterschiedliche Kompositionen dicht gepackt aufeinanderfolgen. Wenn dies geschieht, dann ist es nicht nur eine Fahrlässigkeit gegenüber dem jeweiligen Komponisten, sondern mehr noch gegenüber dem geneigten Hörer, der aus jedem Live-Konzert ganz anderes gewohnt ist. Was waren das für Zeiten, als einige Labels am Ende eines Albums noch bis zu einer Minute in sich ruhender «Stille» mit auf die CD packten – nur um zu vermeiden, dass der Laser nach dem letzten Ton technisch surrend sofort in seine Ausgangsposition fährt.“ Lesen Sie weiter. Sorgfältig beobachtet wie immer. Aktuell hat er drei Aufnahmen zum Themenspektrum „Island“ rezensiert. Historisch, ästhetisch und verlagspolitisch lehrreich. Eine kleine Erfahrung in Sachen Medienwahrnehmung möchte ich anfügen. Die besten Informationen zu Fragen der Weltlage bekommt man heutzutage wahrscheinlich doch in bilderlosen Medien, also in diesem Fall über das Radio. Fast alle Formen von Eitelkeiten fallen weg, fast jede Form emotionaler Manipulation durch Bilder fällt weg. Es wird noch zugehört, es wird tiefgehend analysiert. So jedenfalls meine Erfahrungen beim Hören beispielsweise der Info-Sender wie Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur. Selbst das Texteschreiben – ich weiß, wovon ich rede – geht nicht ohne unterschwellige oder offensichtliche Manipulationen. Wie man betont, was man weg- oder auslässt, all das hat seine Wirkung. Ein Medium wie Twitter oder Facebook macht das auf der Stelle deutlich. Argumente werden durch vermeintliche Menge und Zustimmungsdaten immer wieder künstlich gesteigert. Sogenannter Hashtags dienten ursprünglich der Zuordnung zu Themen, sind aber mittlerweile längst politische Zeichengebungen in Verbindung mit Aufmerksamkeitshypertonie. Vielleicht braucht es mehr Langeweile – jedenfalls auf dieser Ebene. Mein heutiger Radiotipp wäre: 22:00 bis 23:00 | MDR Kultur Am 20. März 1920 – der Kapp–Putsch war gerade durch einen Generalstreik niedergeschlagen – mobilisiert sich in Marburg ein Studentenkorps. Die national-konservativen Studenten wähnen in Thüringen einen spartakistischen Aufstand im Gange. Im Ort Thal – heute ein Ortsteil von Ruhla – nehmen die Studenten 15 Arbeiter gefangen, die sich während des Putsches an der Entwaffnung möglicher Unterstützer beteiligt hatten. Am 25. März sind diese 15 Männer tot, sie liegen jeweils wenige Schritte von der Straße entfernt vor und hinter der Ortschaft Mechterstädt – angeblich „auf der Flucht erschossen“. Die Morde und mehr noch die Freisprüche in den Prozessen danach sorgen deutschlandweit für Empörung, unter anderem Kurt Tucholsky schreibt darüber. Kommen Sie gut durch die Tage. Am Freitag kann es zu Verzögerungen kommen beim Versand des Newsletters. Es gibt diverse nicht verschiebbare Außer-Haus-Termine. PORTRAITStadt, Land, Saxophon – Christian Segmehl bringt dem Publikum sein Instrument auf verschiedene Weisen naheGerade in der Neuen Musik fühlt er sich „zu Hause“ und heißt zeitgenössische Projekte willkommen. Durch seine Bodenständigkeit kann man in der Begegnung mit Christian Segmehl einen sehr lebensnahen Blick auf Musik und Kultur werfen. In seinen Konzerten sind Neulinge willkommen – für erfahrenere Hörer ist der Besuch einer seiner Saxophonabende aber auch eine echte Bereicherung. Er spielte bereits mit Orchestern in Russland, Südafrika oder Nordamerika. 2010 erhielt der Saxophonist den „ECHO Klassik“. Doch für seine eigens organisierten Konzerte spielt vor allem Regionalität für Christian Segmehl eine bedeutende Rolle. Weiterlesen KRITIKTheaterraum als Tempel des lyrischen Widerspruchs: Zwei Einakter von Peter Maxwell Davies in WeimarDer Doppelabend 2 im Festival Passion :SPIEL des Deutschen Nationaltheaters Weimar scherte bei Peter Maxwell Davies „Eight Songs for a Mad King“ in seiner Haltung erfreulich aus: Uwe Schenker-Primus brillierte in dem von Dirk Girschik als poetische Utopie inszenierten Einakter. Weiterlesen Die Vernunft hat keine Chance – Verdis „Les vêspre siciliennes“ an der Deutschen Oper BerlinDie Deutsche Oper Berlin, Oliver Py und Grand Opéra passen eigentlich ganz gut zusammen. Mit dem Genre hat das Haus Erfahrung und auch die nötigen Ressourcen dafür. Und der Franzose Olivier Py war schon sowohl mit Verdi als auch mit Grand Opéras (wie Meyerbeers „Les Hugenotes“, Halévys „La Juive“ und an der Deutschen Oper mit Meyerbeers „Le Prophete“) erfolgreich. Weiterlesen Abschied aus Dingsda, äh, Münster – Ulrich Peters inszeniert Eduard Künnekes ErfolgsoperetteFast zehn Jahre lang war Ulrich Peters Intendant des Theaters Münster, im Herbst 2021 wechselte er von dort aus ans Badische Staatstheater Karlsruhe, wo er nach der Abberufung seines Vorgängers Peter Spuhler in den kommenden drei Jahren als „Interimsintendant“ für die Verbesserung des Arbeitsklimas sorgen will. Aus Münster verabschiedet sich Peters nun endgültig mit Eduard Künnekes „Der Vetter aus Dingsda“. Weiterlesen Keine Chance für die Liebe – Ignacy Jan Paderewskis „Manru“ an der Oper Halle ausgegrabenEs gehört zu den Eigentümlichkeiten der Rezeptionsgeschichte, dass eine Inszenierung der Oper „Manru“ von Ignacy Jan Paderewski heute nur als ambitionierte Ausgrabung auf einen Spielplan kommt. Nicht nur in Deutschland – aber da besonders.Weiterlesen Michael Kubes HÖRBAR - IslandIsland ist noch immer eine vergleichsweise junge Musiknation. Ohne institutionelle Infrastruktur waren bis weit ins 20. Jahrhundert nahezu alle musikalischen Begabungen gezwungen, für die Ausbildung und die eigene Karriere die heißen Vulkaninsel im kalten Nordatlantik zu verlassen. Ein Sinfonieorchester war dort erstmals erst im Sommer 1926 zu hören, als Jón Leifs mit den Hamburger Philharmonikern eine Konzertreise unternahm (wohl für alle Seiten eine Sensation). Dass es heute dort eine sehr rege Szene gibt, liegt an verschiedenen Förderungen und Faktoren – mit Sicherheit aber der Landschaft, die bei vielen zeitgenössischen isländischen Komponisten auf sehr unterschiedliche Weise eine mehr oder wenige präsente Rolle spielen. Eine Frage der Selbstverortung in einer globalen Welt.
NACHRICHTEN Deutscher Musikautor*innenpreis: Vinko Globokar für Lebenswerk geehrt Komponist Vinko Globokar erhält den Deutschen Musikautor*innenpreis der GEMA für sein Lebenswerk. Mit seinen außerordentlichen Fähigkeiten, auch als Posaunist, beeinflusste er weltweit viele zeitgenössische Komponist*innen und entwickelte auf dem Instrument neue Spieltechniken. Er ist eine prägende Figur der Avantgarde. Die Preisverleihung findet am 24. März 2022 in Berlin statt und kann im Livestream verfolgt werden. Weiterlesen
Was gibts im Radio? Martin Hufner Bleiben Sie uns treu. Wenn Sie wünschen, empfehlen Sie uns per Mail weiter.Der Newsletter gibt die Meinung des Redakteurs wieder. neue musikzeitung
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