Newsletter der nmz 70 Jahre

Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,

der ganze Spuk (ich glaube, das kann man so sagen, ohne dass es justiziabel wird) in der Intendanz des öffentlich-rechtlichen Senders “radio berlin brandenburg” geht sicher auch an Ihnen nicht spurlos vorüber. Schwer zu sagen, was da im System nicht hinhaut und was allein Personen zuzuordnen ist. Das bereitet alles wirklich keine Freude.

Umso interessanter vielleicht, zurückzuschauen auf eine Sendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die auch von unserer nmz mitgestaltet worden ist. Manche erinnern sich noch an taktlos – Das Musikmagazin des Bayerischen Rundfunks und der neuen musikzeitung? 182 Sendungen zwischen 1998 und 2015. Moderiert von unserem aktuellen Herausgeber Theo Geißler. Ja, gibts nicht mehr.

Schon 1998 haben wir da von privater Seite dem Rundfunk geholfen. Es gab eine Website zu taktlos von Anfang an, wir haben ganz zu Beginn sogar Ausschnitte der Sendungen als mp3-Files zur Verfügung gestellt, da gab es noch keine gescheiten Audiotheken (die von heute sind, sagen wir mal, siehe unten, problematisch). Wir haben Fotos in der Sendung geschossen – in schwarzweiß, zuhause mit dem eigenen Chemielabor entwickelt und vergrößert und gescannt. Später trat das Team von nmzMedia hinzu und filmte Sendungen mit. Fand halt nur unter www.nmz.de statt, nicht im Bayerischen Rundfunk.

Das Engagement wurde reichlich belohnt. 2005 bereits. „Das Team von taktlos, dem Musikmagazin des Bayerischen Rundfunks und der Neuen Musikzeitung erhielt in Berlin gemeinsam mit zwölf ausgesprochen musikpädagogischen Projekten den Innovationspreis INVENTIO, vergeben vom Deutschen Musikrat und der Stiftung 100 Jahre Yamaha e.V.“

Das ist natürlich Ironie. Denn 10 Jahre später war es aus. Der Bayerische Rundfunk stellte sich anders auf. Ende 2015 war also Schluss. Das ist auch im Nachhinein schade, weil die Lücke, die der Abriss von taktlos hinterließ, nie geschlossen wurde.

Wieso ich gerade jetzt darauf komme. Die CD wird 40 Jahre alt. Dazu gibt es eine Meldung der dpa. 2003 in der 62. Ausgabe von taktlos feierten wir den 20. Geburtstag. Das napsterte es, da brannte man noch CDs und sorgte für Unmut. Da ging es los mit der Suche nach dem Superstar in Deutschland. Die Sendung haben wir nun wieder zugänglich gemacht. Gerade mit Blick auf die Diskussionsrunden fällt eine Leichtigkeit in der Diskussionsführung auf, die ihres gleichen sucht. Die Gäste sind wunderbar in ihrer Streitfähigkeit und ihrem “Sendungsbewusstsein”. In der Redaktion saß der mutige Redakteur Wolf Loeckle. Die Regie hatte Christoph C. Stechbart. 

Und heute? Sieht man sich den Abgesang der Quoten-Willigen Redaktionen an. Statt forschen Experimenten. Was liest da ein trauriges Auge?

Mit musikalischer Vielfalt stellen wir niemanden richtig zufrieden“

Im Tagesprogramm müssen wir gefälliger werden, weil wir mit der musikalischen Vielfalt niemanden so richtig zufriedenstellen. Wir werden deshalb künftig tagsüber die Spitzen und Kanten aus der Musik herausnehmen. Hier wollen wir mehr Mainstream und dadurch eine höhere Durchhörbarkeit erreichen.“ (Quelle: dwdl)

Das sagt die Programmchefin von SWR - Das DIng, Mira Seidel. Wie gut dass dann musikalische Einfalt offenbar des Rätsels Lösung sein muss. 

Manche Intendanz vergeht sich an ihrem Sender und den Mitarbeitenden. Manche:r Programmchef:in vergeht sich am Programmauftrag. Und die Kolleg:innen schauen dabei zu. 

Alles nur Einzelfälle. Ja, klar. Was sonst. Mainstreamisierung ist auf dem Vormarsch. Aufklärung durch Verdunkelung. Es wird vergeigt, was man von den Gebührenzahler:innen monatlich ganz gesichert an Vorschuss erhält. Mit weinendem Auge schaut man da nach Österreich, wo eine einzelne Welle, Ö1, mit spannenden Programmen aufwartet, wo die Redaktionen auch irgendwie deutlich besser besetzt sind.

Die Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie er seitens der Pressewerke des Springerkonzerns hinausgetragen wird, mache ich mir dagegen nicht zu eigen. Das Manöver der Poschhardts und weiteren ist zu durchsichtig. Leider macht es der ÖRR diesen Kritikern auch zu einfach. ÖRR ist eben weit mehr als Lanz, Plasberg, Einaudi, Perlen der Klassik, Sportberichte. Das sind auch nur Aspekte neben den ganzen kulturellen Basisversorgungen, mit denen man eben eigentlich virtuos spielen müsste.

Sie können mir glauben, ich bin ziemlich sauer und schockiert. Und auch nach sieben Jahren untröstlich darüber, dass es eine Sendung wie taktlos nicht mehr gibt.

Und jetzt noch eine Aufgabe an Sie, meine Leserinnen und Leser. Am Mittwoch früh gab es eine Heiner-Goebbels-Nacht auf hr2-kultur und SWR2. Siehe hier. Weiter unten liest man dort, dass die Sendungen online oder zum download bereitliegen. Folgt man dem Link, wo landet man da? https://www.ardaudiothek.de/sender/swr/ Von den Sendungen keine Spur. Oder bin ich nur zu blöd? Bitte helfen Sie mir blindem Musikhuhn.

Die Sendung zu 20 Jahre CD finden Sie dagegen ganz präzise und können Sie sich auch anhören. Aber wir sind ja auch nur eine Musikfachzeitung, die um ihre Abonnentinnen und Abonnenten kämpfen muss und kein gebührenfinanzierter öffentlich-rechtlicher Rundfunk.

Wir sehen uns hoffentlich nächste Woche wieder zum nächsten Newsletter.


PORTRAIT

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Noch immer ist der Komponist und Regisseur Heiner Goebbels viel unterwegs und geht – rechtzeitige Eingebung vorausgesetzt – neue Projekte an. Seinem Publikum will er dabei auf Augenhöhe begegnen. Weiterlesen

11 Fragen an Sebastian Berweck

Sebastian Berweck studierte Klavier in Freiburg, Prag und Hannover. Er spielt seit vielen Jahren auf den großen Festivals für zeitgenössische Musik und versucht mit Erfolg, die live gespielte Elektronik wieder auf die Bühne zu bringen. Aktuelle Aufführungen sind „Haus“ von Sarah Nemtsov/Heinrich Horwitz bei der Ruhrtriennale Bochum, ein Soloprogramm beim Klang Festival Kopenhagen und mit dem Synthesizertrio Lange//Berweck//Lorenz beim Kontakte Festival Berlin. Weiterlesen


SZENE

Berlin: Monat der zeitgenössischen Musik vom 01.–30. September 2022

In der sechsten Ausgabe des Monats der zeitgenössischen Musik vom 01.–30. September 2022, zeigen Berliner Musiker*innen, Komponist*innen und Ensembles wieder unterschiedlichste künstlerische Positionen in Konzerten, Performances und Klanginstallationen sowohl an den großen Konzerthäusern als auch an den Bühnen der Freien Szene. Weiterlesen

Totgesagt und doch noch da: 40 Jahre Musik-CD

Mit der CD begann vor 40 Jahren die Digitalisierung der Musik, die die Branche umkrempelte. Die ersten Silberscheiben für den Verkauf wurden in Hannover-Langenhagen produziert. Das Internet spielte für die CD jedoch das Lied vom Tod. Weiterlesen


Aus der JazzZeitung


HörBar ! Jazz

Phraim – Hysteria: „… Viele der Tracks entwickeln einen ausgesprochen intensiven Sog, weil die Grundideen der Kompositionen und ihr grundsätzlicher Aufbau architektonisch gelungen sind. Die Stücke werden in die richtigen Schuhe gestellt. Und in fast allen Tracks gelingt es, das Gerüst wunderbar innenarchitektonisch auszukleiden. Man schaut dabei gerne zu wie Basslinien in den „Colourblind Birds“ – um im Bild zu bleiben – wie Stromleitungen im Haus durchaus sichtbar auf Putz verlegt werden. Doch dann ist es bald mit der Ökonomie vorbei und die Piecen neigen ausgesprochen dazu, zu verfransen und zu verspielt leerzulaufen wie extrem im zweiten Track „Maleficent“.…“

Frank Fusion Trio – My Place: „… Eine durchweg reichhaltige Mischung aus Noise in der Tex- und Gradlinigkeit in der Struktur, die nicht selten die „Grenzen“ zur Rockmusik mehr als deutlich überschreitet. Und gleichwohl klingen Powerwerke wie „Crazy Witch“ nicht nach alter aufgewärmter Wurst. Meisterhaft! Ein Track, der wie eine 22-Minuten-Orgie wirkt, aber tatsächlich in unter fünf Minuten die Flimmerhärchen im Ohr flachlegt.…“

Vismala / Neander – Digital Shaman: „… Man fragt sich, wo da das besonders „digitale“ diese Schamanen-Musik auszeichne. Elektrifizierend ist die Musik gleichwohl, die laut Infoblatt „Calypso, Monk, Funkiness, Jazzrock und Gypsyjazz“ nicht auf ihrem Weg in die akustische Realität auf dem Weg liegen lässt, sondern mitnimmt und dabei „karibisches Augenzwinkern oder zappaesker Wahnsinn“ streift. Und ein bisschen Rodgau Monotones sind auch dabei. Flatsch! …“


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Martin Hufner

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