Newsletter der nmz - Mathis Ubben

Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,

es gibt diese Wahrheiten, da haben alle ein sicheres Gefühl, aber keine belastbaren oder allgemeingültigen Informationen. „Da müsste man mal eine Studie dazu machen“, denkt man, damit man endlich weiß, dass man recht hat. Schmu-Verdacht bei Klassik-Wettbewerben ist so eine Sache. Natürlich wünscht man sich, dass eine der wenigen „objektiven“ Karriereschübe der Szene allein auf dem musikalischen Urteil einer überdurchschnittlich fachkundigen Jury beruht. Nora Sophie Kienast hat als Kern ihrer Doktorarbeit einfach mal nachgehakt und festgestellt: Die befragten Jury-Mitglieder konnten entweder von eigenem oder beobachtetem Fehlverhalten berichten. Es wird geschachert, gedroht, geklüngelt und gelogen.

Will man ohne Preis und entsprechende Agenturen gut von dem Leben, was man tut, braucht es Publikum. Um sich das zu besorgen, kann man sich jetzt dafür bewerben, seine Veranstaltungen für den KulturPass freischalten zu lassen: Menschen des Jahrgangs 2005 bekommen von der Bundesregierung ein Taschengeld für Kulturveranstaltungen. Denn das ist der geheime Grund, warum junge Erwachsene sich nicht vom Klassikbetrieb angesprochen fühlen. Ermäßigte Tickets, Restkarten, U30-Rabatte, Flatrates für Studierende – wenn das alles nicht die gewünschte Wirkung hat, dann probiert man es natürlich einfach nochmal.

Alternative Konzertprogramme, -rahmen und -ideen könnten die Lösung sein. Vielleicht haben die zunehmend aufkommenden „Artistic Research“-Programme da in Zukunft ein Wörtchen mitzureden, Gordon Kampe sieht das in seinem Cluster aber anders.

Ohne Publikum schafft es die Klassik nicht. „Hoch hinaus” bringen uns die Aussichten nicht, ein klassisches Himmelfahrtskommando sieht aber auch anders aus. Immerhin: Es tut sich etwas. Auf Plakate mit Preisträger*innen sollten wir uns dabei nicht verlassen. Bleiben wir also dran, damit unsere Musik nicht dran glauben muss.

Ein weiterhin schönes Wochenende wünscht
Mathis Ubben 


nmz-Thema: Wettbewerbe

Suggestive Faktoren und Beziehungsgeflechte: Musikwettbewerbe unter Legitimationsdruck – Ein Essay von Nora Sophie Kienast

Durch einen Wettbewerbsgewinn können sich die jungen Künstler*innen im Konzertleben profilieren, etablieren und Netzwerke aufbauen. Wettbewerbe fungieren oftmals als Türöffner in die Welt des Konzertbetriebs. Der Jury kommt hierbei eine äußerst verantwortungsvolle Aufgabe zu: Sie entscheidet über Karrieren und Lebensläufe. Einflussnahme durch Jurymitglieder kann dabei ein Problem darstellen und wird in der Community viel diskutiert und auch immer wieder in der Presse problematisiert. Insgesamt befragte Kienast 14 Personen, darunter vier Teilnehmende an Wettbewerbern und 10 Juror*innen. Beinahe alle sind Professor*innen an Deutschen Musikhochschulen oder aktive Orchestermu­siker*innen. Es wurden nur diejenigen Jurierenden und Teilnehmenden befragt, die Orchesterinstrumente spielten oder Vorspiele mit Instrumenten bewerteten. Gesang als Disziplin wurde außen vor gelassen, da sich hier Bewertungsrelevanzen ergeben, die sich mit denen der Instrumentalkategorien kaum vergleichen lassen. Generell werden die Gesprächspartner*innen anonymisiert zitiert. Allen Befragten wurden zufällig ausgewählte weibliche und männliche Vornamen zugewiesen, die nicht unbedingt mit dem wahren Geschlecht der/des jeweiligen Interviewten übereinstimmen. Die der Jurierenden lauten Andreas, Birgit, Stefan, Katrin, Martina, Michael, Petra, Sabine, Susanne und Thomas; die der Teilnehmenden Felix, Jan, Jonas und Moritz. Lesen Sie im Folgenden Auszüge aus der wissenschaftlichen Untersuchung von Nora Sophie Kienast


nmzMedia in concert

Strauss und Schostakowitsch – Konzert des Bayerischen Landesjugendorchesters

Am 8. Januar trat das Bayerische Landesjugendorchester zum Abschluss seiner 144. Arbeitsphase unter der Leitung von Joseph Bastian in der Isarphilharmonie in München auf. Auf dem Programm standen die 8. Sinfonie in c-moll, op. 65 von Dmitry Schostakowitsch und die Orchesterlieder von Richard Strauss mit der Sopranistin Lydia Teuscher. Erleben Sie hier das komplette Konzert der jungen Profis im Mitschnitt. Eine Produktion von nmzMedia für das Bayerische Landesjugendorchester. 


nmz 2023/Mai – CLUSTER / 11 FRAGEN

Künstliche Intelligenz – Cluster 2023/05 – Gordon Kampe

ist heute nicht mein Thema, aber jetzt habe ich Ihre Aufmerksamkeit. Hallöchen! Es wird Zeit, mal wieder zu möppern. Zu diesem Zweck geht es heute um „Artistic Research“ – dem Gebot der Stunde, will man fresh und edgy sein. Künstlerinnen und Künstler, die den Eintritt in die Berufsrealität ein bisschen aufschieben wollen, können hier einen „Doktortitel“ erwerben und dann mal kucken. Bevor der Puls auf 290 ist und die Augen rollen bis zum Schwindelanfall, lasse ich selbst die Luft raus – denn, jap – es stimmt: ich habe keine Ahnung und bin ein konservativer Musikwissenschaftler. Weiterlesen

11 Fragen an Zeynep Gedizlioğlu

Geboren in Izmir in der Türkei, studierte Zeynep Gedizlioğlu Komposition bei Cengiz Tanç in Istanbul, Theo Brandmüller in Saarbrücken, Ivan Fedele in Straßburg und bei Wolfgang Rihm in Karlsruhe, sowie Musiktheorie bei Michael Reudenbach. 2012 erhielt sie den Ernst von Siemens Komponistenpreis, 2014 war sie die Komponistin des Jahres beim Donizetti-Preis in Istanbul, 2018 bekam sie den Heidelberger Künstlerinnenpreis für ihr gesamtes Schaffen, 2019 den Kunstpreis der Akademie der Künste Berlin und 2022 den GEMA-Musikautorenpreis in der Kategorie Komposition für Kammermusik. Sie lebt als freischaffende Komponistin in Berlin. Zu den 11 Fragen.


STREITBAR

Musik und Wirklichkeit (das neue Buch von Harry Lehmann)

Das auffälligste Merkmal eines Publikums ist, dass es wegbleiben kann“. Diese Art von trockenem Humor durchzieht das Buch, ohne dass Lehmann je den Blick aufs Thema verliert. Eine Lektüre-Empfehlung von Moritz Eggert.


BERICHTE

Auch musikalisch ein Ereignis – Der Internationale Museumstag

Ralf-Thomas Lindner stattete dem Deutschen Schallplattenmuseum Nortorf und der Musikinstrumentensammlung im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg einen Besuch ab: Museumskultur – Erinnerung, Reflexion, Entdeckungen, gesellschaftlicher Austausch. Weiterlesen

Androzid in Nahost: Die Uraufführung von Donizettis „Dalinda“ in Berlin

Wo erlebt man heute noch die posthume Uraufführung einer Oper des genialen Belcanto-Routiniers Gaetano Donizetti? Bei ihren leider nur einmal jährlich stattfindenden halbszenischen Produktionen im Konzerthaus liefert die Berliner Operngruppe mit Spiritus Rector Felix Krieger mindestens Rares und in der Regel Sensationelles. Hinter dem Titel „Dalinda“ verbirgt sich eine der zahlreichen Zensurfassungen von Gaetano Donizettis und Felice Romanis „Lucrezia Borgia“ nach der frenetisch-verrückten Tragödie von Victor Hugo (1833). Die Messlatte kann nicht hoch genug sein: Die Berliner Operngruppe und ihr Edel-Ensemble lieferten am 14. Mai eine Sternstunde und in der Titelpartie eine Ausnahmestimme, um die sich ambitionierte Bühnen reißen sollten: Lidia Fridman. Weiterlesen

Anti-Kriegs-Aida – Verdis Exotismus-Kostüm kommt in München im Hier und Heute an

Wo spielt die Handlung? In Bangladesch? In Malaysia? Am Hindukusch zwischen Pakistan und Indien und den Sikhs? Im Jemen oder im Sudan oder in Libyen oder Kurdistan? Und natürlich in der Ukraine! Ganz aktuell von dort kommt die Bühne des Münchner Nationaltheaters – durchweg mit dem unsichtbaren Diktum Leo Tolstois „Einen Krieg verliert man immer“ überschrieben. Das mochte ein Teil des Premierenpublikums „nicht noch einmal“ und buhte – ehe dann der Beifall doch überwog. Weiterlesen


Michael Kubes HörBar #084 – Nachtgesänge


Aus der JazzZeitung


NACHRICHTEN

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Mathis Ubben

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