Newsletter der nmz - Martin Hufner

Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,

Im Januar 2022 haben wir eine kleine unrepräsentative Umfrage unter unseren Followern auf Twitter und dem Newsletter gemacht. Wir wollten wissen, stimmen Sie folgender Aussage zu:

«Indem wir die Kultur stärken, stärken wir die Demokratie.» (Claudia Roth)

Ergebnis:

  • Stimmt so. 64.44%

  • Hohle Phrase. 24.44%

  • Steile These. 11.11%

  • Ist mir wumpe. 0.00%

  • Blödsinn 0.00%

Ganz anders sieht es Carolin Emcke in einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung. Auf seiner Facebook-Seite zitiert Gordon Kampe, der Präsident der Gesellschaft für Neue Musik (Deutschland) sie folgendermaßen (Hervorhebungen von mir):

Die Kultur soll den Zusammenhalt der Gesellschaft sichern, die Kultur soll die Demokratie stärken und schützen, soll bilden und fördern. In kulturpolitischen Reden gibt es regelmäßig diese pathetische Passage, warum die Kultur eigentlich Demokratieförderung sei. Warum sie die Herzkammer der Demokratie sei. Der Kitt, der die brüchige Gesellschaft stabiler mache. Das ist nicht nur bequem, sondern das ist auch falsch. Die Kunst als kreative, als unruhige, als kluge, als witzige und kritische Instanz kann nur bestehen, wenn sie sich eben nicht in den Dienst stellen muss. Kunst und auch Forschung sind keine Service-Agenturen. Sie können nur existieren, wenn sie sich nicht dauernd als systemrelevant und nützlich behaupten müssen.“ (SZ vom 28.07.)

Ich finde dieses Statement hochinteressant. Wie nützlich ist eigentlich das Unnützliche. In vielen Diskussionen mit Menschen – auch in den sozialen Medien – kocht immer wieder ein Streit darüber hoch, welche Rolle Kunst in einer hochentwickelten Gesellschaft und Kultur eigentlich haben soll (oder haben kann oder haben muss). Schnell spricht man der Kunst dann eben gesellschaftliche Macht zu, korrigierend, destruierend, ausbeuterisch oder befreiend, heilend oder kränkend. Davon bleibt als Schlagwort-Blablblabla: Sie sei demokratiefördernd. Sie ist in jedem Fall der Bildung und nicht der Unterhaltung zuzuordnen, weswegen sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stattfinden müsse – wegen Bildungs- und Kulturauftrag. Je nachdem, wo man steht, hat sie mal dies, mal was anderes zu sein. (Ich persönlich finde, nur in einer angstfreien Gesellschaft kann Musik zu sich selbst kommen und damit zu den Menschen, zu deren Herzen und Gehirnen).

Klar ist, dass da gar nichts klar ist. Kunst ist immer Spielball von Interessen gesellschaftlicher Gruppen – außer bei einer speziellen Gruppe von Menschen, denen man nur den Raum anbieten muss, um sich künstlerisch zu entfalten (ohne Angst und Leistungszwang, den Kindern bevor sie sozusagen durch Gruppenbildung und Statuszuschreibungen ihre Identität bis zur vorläufigen Vollendung ausbilden beziehungsweise hindressiert werden). 

Und für die Künstler:innen? Die haben einen inneren Auftrag oder einen von Auftraggebern, sind Hobbyisten, machen Reibach? Nehmen wir nur mal den Bereich Musik und Streaming. Die FAZ berichtet im Januar (€):100. 000 Songs sollen mittlerweile täglich neu auf Spotify und Co erscheinen – Tendenz steigend.“ Warum machen die Menschen dies? Warum gibt es eigentlich so viel Musik? Wen interessiert das noch, wer wird damit erreicht?

Überflussverdruss und Unterversorgungsängste? Wie geht das zusammen? Und wer hat überhaupt die Zeit und Muße, sich in so einer Frage zu verfangen? Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben. Währenddessen werden Fakten geschaffen. So notiert die SZ eine Angst vor dem Kahlschlag bei Bayern2 des Bayerischen Rundfunks. Ja und? Es gibt ja auch noch Bayern1, Bayern3, Bayern4, Bayern5, Bayern Puls, Bayern Heimat … Aber wahr ist auch: Warum beginnt man den Kahlschlag an der Stelle, die über Bayerns Grenzen hinweg höchste Reputation genießt. (Unverständlich beispielsweise, warum Bayern2 auf dem DAB-Angebot hin in Berlin/Brandenburg entfernt wurde.)

Immerhin haben wir ein paar „Scouts“ (Kritiker, Kuratoren whatever, Fachmenschen) in Sachen Musik-Dschungel am Start. Neue Noten schaut sich regelmäßig unser neutraler Musikwissenschaftler Stefan Drees von der Hochschule für Musik Hanns Eisler an. Auf dem Programm stehen für Juli/August Kompositionen für gemischte Duobesetzungen. Michael Kube durchstöbert in dieser Woche in der 91. Ausgabe seiner HörBarSeltsames“ zur Reisezeit. Los geht es mit Suppé / In 80 Tagen um die Welt

Und jetzt die aktuellen Klimadaten für die sozialen Netzwerke:

Platforms ranked by Co2 emissions each year:

  1. TikTok 30.72 billion KG per year

  2. Facebook 27.5604 billion KG per year

  3. Instagram 15.47623 billion KG per year

  4. Reddit 9.1848 billion KG per year

  5. YouTube 8.294 billion KG per year

  6. Snapchat 5.29392 billion KG per year

  7. Pinterest 3.05996 billion KG per year

  8. Twitter 2.96044 billion KG per year

Für uns heißt es. Lesen Sie schnell und gründlich. Und machen Sie dann den Computer wieder aus, wenn es geht. 


nmz ⅞-2023


(€) Verantwortung übernehmen, Veränderungen initiieren - 25 Jahre Musikvermittlung in Detmold – Katharina Höhne im Gespräch

Niemand konnte 1998, als an der Musikhochschule Detmold das Pilotprojekt ‚Musikvermittlung‘ eingerichtet wurde, die rasante Entwicklung dieses Berufsfeldes voraussehen.“ So leitet Ernst Klaus Schneider in der 2022…  

(€) Neue Noten 2023/07-08 – Kompositionen für gemischte Duobesetzungen - Musik von Ulrike Merk, Nikolaus Brass, Chong Kee Yong, James Dillon und Elnaz Seyedi

Ulrike Merk: En el blanco infinito. Prolog, Canción y Danza | Nikolas Brass: Die Königin von Saba | Chong Kee Yong: Liu Xu Fei (Willows catkins hover in the air) | James Dillon: The Freiburg Diptych | Elnaz Seyedi: Sense...


BERICHTE


Bertolucci, Pasolini und Asmik Grigorian: Verdis „Macbeth“ bei den Salzburger Festspielen

Roland H. Dippel – Bei den Salzburger Sommerfestspielen gehört Verdis erste Shakespeare-Oper „Macbeth“ (1847/1865) zu den bevorzugten Stücken. Philippe Jordan findet mit den Wiener Philharmonikern zu einem intensiv-monumentalen Verdi-Klang. Krzysztof Warlikowski nascht für seine Shakespeare-Verdi-Lesart an Ideen-Bonbons von Bertolucci und Pasolini. …

Bleibenswert – „Tannhäuser“ in Bayreuth unter der musikalischen Leitung von Nathalie Stutzmann

Joachim Lange – Tobias Kratzers „Tannhäuser“ begeistert bei den Bayreuther Festspielen erneut als totales Theater mit Tiefgang – mit etlichen neuen Interpreten und mit Hügel-Debütantin Nathalie Stutzmann am Pult!

Sexuelle Beschleunigung: Mozarts „Figaro“ bei den Salzburger Festspielen

Roland H. Dippel – Mozarts Opera buffa von 1786 ist eine der meistgespielten Opernkomödien bei den Salzburger Festspielen und überall. Als deren erste Musiktheater-Premiere entwirft Martin Kušej in „Le nozze di Figaro“ ein eisiges Sittenbild der Gegenwart, Raphaël Pichon und die Wiener Philharmoniker bestätigen im Haus für Mozart mit kühler Souveränität.

In Bayreuth wurden die Wiederaufnahmen von „Rheingold“ und „Walküre“ einhellig bejubelt

Joachim Lange – Die kleiner „Ring“-Hälfte (wie die Riesen so schön falsch sagen würden) ist nach dem neuen „Parsifal“ über die Bühne des Festspielhauses gegangen. Vor gefülltem und durchweg begeistert reagierendem Saal übrigens. Eine explizite Reaktion auf die Regie wird man erst nach der „Götterdämmerung“ zu vermelden haben, wenn das Regieteam vor den Vorhang …

Bechers Bilanz – Juli 2023 – Musik von draußen

Christoph Becher – Im Juli darf das Kulturleben pausieren. Die städtischen Abonnements verkrümeln sich in die Sommerpause, die Pianistinnen radeln entlang der Flüsse, die Sänger buchen einen Kochkurs. Doch nun schlägt die Stunde der  …


MELDUNGEN


KULTUR & WIRTSCHAFT

Roth: Dauerhafte Opern-Spielstätte auf NS-Reichsparteitagsgelände

dpa – Nürnberg - Kulturstaatsministerin Claudia Roth plädiert für einen dauerhaften Umzug der Nürnberger Staatsoper in den Innenhof der einst von den Nazis errichteten Kongresshalle. «Wenn es die Oper wirklich schafft, diesen Wahnsinns-Ort am Reichsparteitagsgelände erfolgreich zu bespielen, dann ist das ziemlich einzigartig», sagte die Grünen …

Kulturstaatsministerium: Förderprogramm Journalismus startet in die nächste Runde

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA) – Das Förderprogramm des Bundes zum Schutz und zur strukturellen Stärkung journalistischer Arbeit ruft zum zweiten Mal zu Bewerbungen auf. Für die Förderung stehen rund eine Million Euro im Etat der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien bereit. …

VERANSTALTUNGEN

MENSCHEN


nmz-Stellenmarkt



Michael Kubes HörBar 091 – Reisezeit


Suppé / In 80 Tagen um die Welt

Sommerzeit ist Reisezeit. Dem will und kann sich auch die «Hörbar» nicht entziehen und bricht daher in dieser Folge zu neuen Horizonten und zu unbekannten Partituren auf, von denen die meisten erst (wieder-) entdeckt werden mussten. Es handelt sich also nicht um tönende Ansichtskarten, sondern zum eine dicht getakteten Expedition, bei dem man nicht den Anschluss verpassen sollte. (NB. Haben Sie den kostenlosen Newsletter der Hörbar schon abonniert?) …


Aus der JazzZeitung


Die erweiterte Jazz-Radiowoche vom 31.07.2023 bis 06.08.2023

Martin Hufner – Ein kleiner Blick in die Radiowoche 31. Das ARD-Radiofestival hat das Jazzprogramm fest im Griff. Jedenfalls die ARD-Sender. Wir können uns so schon mal an die Zukunft des abendlichen ARD-Programms gewöhnen wie sie Anja Würzberg vom NDR für alle Kultur-Stationen der ARD ins Auge fasst (ich habe das hier kommentiert). …


JukeBoxx-NewMusic-Award
Aktuelle Einträge (Teilnahme noch bis 31.8.2023 - Mehr Infos dazu hier.)



nmz-Podcast-Partner:innen

Irene Kurka: Neue Musik Leben — Trimum Podcast


Wofür brauchen wir noch Religionen, Klaus von Stosch? Der Trimum Podcast

Als Vordenker der komparativen Theologie hat Klaus von Stosch den interreligiösen Dialog in Deutschland in den letzten Jahren geprägt wie kein zweiter. Auch unser interreligiöses Musikprojekt Trimum wurde stark von seiner Denkschule beeinflusst. Welche Rolle können Religion und Musik in einer Welt spielen, die immer mehr aus den Fugen gerät? Mai 2023 (Folge 21)


MH

 

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