Liebe Leser*innen, instrumentale Musik – egal aus welcher Schublade – hat es schwierig, politisch zu sein oder irgendwie am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen. Zu den wenigen Exemplaren gesellen sich diverse Konzertformate, Festivals, Alben, Programmhefte und -gestaltungen, die die sprachlose Musik zu mehr oder weniger passenden Aussagen verhelfen. In den kommenden nmz-Ausgaben nehmen wir ein paar ambitioniertere Versuche unter die Lupe. Wie kann das klassische Konzert überzeugend gesellschaftlich Relevantes transportieren? Muss es das überhaupt, oder sollte das Unpolitische mancher Konzerte weniger als Makel, sondern mehr als Stärke gehandelt werden? Wichtig ist wohl, dass ein Musikprogramm letztlich in sich stimmig sein sollte: Aussagen können gerne an der Musik (und nicht an den Haaren) herbeigezogen werden, oder anhand der dahinterliegenden Biographien und Lebensgeschichten in den Mittelpunkt gerückt werden. Oder ganz kommentarlos für sich selbst sprechen und ihre Wirkung entfalten: Wenn zum Beispiel Komponistinnen gespielt werden. Das muss gar nicht im großen öffentlichen Konzert sein, das kann auch im Hausgebrauch oder Schüler*innen-Konzert stattfinden. Ralf-Thomas Lindner stellt dazu einmal verschiedene neue Noten vor. Falls Sie das vor wenigen Newslettern erwähnte Lisa-Streich-Portrait verpasst haben: „Komponieren, gar als Beruf, kam ihr lange nicht in den Sinn. Als sie mit 19 Jahren nach Berlin ging, erlebte sie etwas für sie völlig Neues: ‚Das war ein Augenöffner. Hier habe ich erst gesehen, dass es weibliche Komponisten gibt. Das wusste ich vorher gar nicht, es stand eben nie eine Partitur von einer Frau auf meinem Klavier. Ich dachte wirklich, das kann man nur machen, wenn man ein Mann ist. Und dann gehe ich in dieses Konzert, und sie spielen ein Stück von Rebecca Saunders – von einer Frau! Ich war Feuer und Flamme.‘“ Die Sommerfestspiele verblühen, die neuen Spielzeiten beginnen. Hoffen wir auf mehr Chancen solcher Momente und sollten Sie selbst einmal die Lust haben etwas anderes zu spielen, zu unterrichten, oder spielen zu lassen: Werfen Sie doch einmal ein Blick in die Stücke der Komponistinnen. Die Verlage geben sich Mühe das Angebot laufend zu erweitern. Da hat man ohne jegliches „Gekrampfe“ und Kommentieren ein kleines bisschen gesellschaftliche Relevanz in die Musik gebracht… Ein schönes Wochenende wünscht nmz ⅞-2023 (+) Breite des Möglichen ausgeschöpft. Musik von Komponistinnen in neuen Editionen Komponistinnen kennenlernen. Leichte Klavierstücke von Komponistinnen. Illustriert von Irina Georgescu (im Alter von 3 Jahren). +++ Mund auf statt Klappe zu! Frauenbewegung in lauten Tönen. Band 4: Lieder für Frauenchor mit Begleitung. +++ Diana Cemeryte: Mondgeflüster nach dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“ für Blockflöte solo. Furore Verlag +++ Fanya de Stella-Palikruschewa: Tango für zwei Klaviere. Hrsg. von Isolde Weiermüller-Backes. Certosa Verlag +++ Maria Hofer: Messe für einstimmigen Männerchor, Trompete I in B, Horn in F (oder/und Trompete II in B/C), Posaune, Pauke und Orgel nach liturgischen Texten von Richard Seyss. Hrsg. von Hugo J. Bonatti und Dieter M. Backes. BERICHTE (+) Der Neue-Musik-Nabel der Welt: die Darmstädter Ferienkurse (Regine Müller) Neue Musik fühlt sich bekanntlich abseits der Metropolen besonders wohl. Heute sind die Hotspots der Neuen Musik Donaueschingen, Witten und: Darmstadt. Wie geht es zu, zwischen Konzerten und Kompositionskursen? (Michael Kube) Auch im Musikbetrieb machen sich die Folgen des Klimawandels bemerkbar, freilich kaum einmal durch plakative Protestaktionen – diese müssten ohnehin eher die kleine Gruppe der weltreisenden Stars treffen als das mit dem (oft inkludierten) ÖPNV anreisende Publikum. Vielmehr haben Veranstalter von Open Air Events vermehrt mit der Witterung zu kämpfen Die Suche nach der Selbstverständlichkeit: Singer Pur Tage 2023 (Juan Martin Koch) In neuer Besetzung und hörbar im Umbruch präsentierte das Vokalsextett Singer Pur bei seinem Festival wieder Renaissancemusik und Zeitgenössisches. Der Wagnerkosmos – unendliche Weiten (Joachim Lange) Die Wiederaufnahme von Roland Schwabs und Markus Poschners „Tristan und Isolde“ rundet den Premierenreigen eines Festspieljahrgangs mit beachtlichen Qualitäten ab. MELDUNGEN KULTUR & WIRTSCHAFT Leslie Mandoki zu KI in der Musik: « Texten fehlt jede emotionale Tiefe» (dpa) – Tutzing - Musikproduzent Leslie Mandoki ist vom Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) im Studio nicht überzeugt. «Wir haben interessehalber mit KI herumexperimentiert, die Ergebnisse waren teilweise beängstigend», sagte der 70-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. «Den KI-Texten fehlt aber jede emotionale Tiefe.» Kunstprojekt vor dem Festspielhaus: alle Mini-Wagners wohl gestohlen (dpa) – Bayreuth - Mehr als 100 goldfarbene Wagner-Skulpturen hat der Künstler Ottmar Hörl Ende Juli vor dem Bayreuther Festspielhaus installiert - nun sind sie alle weg. «Die Arbeit hat sich inzwischen vollkommen aufgelöst», sagte Hörl am Mittwoch auf Anfrage. … Kulturpolitikpreis geht an Isabel Pfeiffer-Poensgen (dpa) – Berlin - Die Politikerin Isabel Pfeiffer-Poensgen erhält den diesjährigen Deutschen Kulturpolitikpreis. Der Preis wird der ehemaligen parteilosen Ministerin für Kultur und Wissenschaft von Nordrhein-Westfalen am 21. September in Berlin vom Deutschen Kulturrat verliehen, wie der Verein am Mittwoch mitteilte. Mecklenburg-Vorpommern hält an Theaterpakt fest - Vorerst keine höheren Zuschüsse (dpa) – Auch die Kultur bekommt die Folgen der Inflation zu spüren. Zudem sorgen höhere Löhne und Gagen für Mehrausgaben. Die Theater wollen mehr Geld vom Land. Doch das soll es nur im Ausnahmefall geben. Schwerin … VERANSTALTUNGEN
PREISE / PERSONEN nmz-Stellenmarkt Michael Kubes HörBar 92 – Spanien Was für eine schöne Idee, die drei Grundfarben Geld, Rot und Blau auf das Cover zu setzen und mit jeder übernächsten Doppelseite durch einen markanten Pinselstrich neue Vermischungen hervorzurufen. Ähnlich ist es im Streichtrio mit der Besetzung Violine, Viola und Violoncello, die sehr offen klingt – keine vierte oder fünfte Stimme füllt oder verstärkt. … Españoletas / Concierto Iberico Es war die Zeit, in der die ersten Formen einer eigenständigen Instrumentalmusik entstanden, sich im Gebrauch verstätigten und rasch entwickelten. Als Mitte des 16. Jahrhunderts Intavolierungen von Motetten, Madrigalen und Chansons kaum mehr ausreichten, die Bedürfnisse der Stadtpfeifereien, aber auch des städti-schen Eliten zu befriedigen, kamen stilisierte Tanzsätze, abwechslungsreich gestalte … Nur selten ist die Musik von Federico Mompou (1893–1987) live oder auf einem Album zu hören – und wenn, dann handelt es sich meist um eine Auswahl von Klavierstücken. Einzelne Lieder oder gar einen seiner Liederzyklen begegnet man hingegen selten. Umso interessanter ist daher diese Einspielung mit insgesamt 23 Nummern, darunter vier Sammlungen, die zwischen 1925 und 1973 entstanden sind. Boccherini / Symphonies op. 35 Heute erreicht man die Metropolen der iberischen Halbinsel schnell und – im Verhältnis zum hinterlassenen «Klima-Abdruck» – zu billig. In dem für Künstler und Musiker reisefreudigen 18. und 19. Jahrhundert lagen Spanien … Aus der JazzZeitung Die erweiterte Jazz-Radiowoche vom 07.08.2023 bis 13.08.2023 Martin Hufner – Ein kleiner Blick in die Radiowoche 32. Das ARD-Radiofestival hat das Jazzprogramm fest im Griff. Jedenfalls die ARD-Sender. Wir können uns so schon mal an die Zukunft des abendlichen ARD-Programms gewöhnen wie sie Anja Würzberg vom NDR für alle Kultur-Stationen der ARD ins Auge fasst … MU Bleiben Sie uns treu. Wenn Sie wünschen, empfehlen Sie uns per Mail weiter. Der Newsletter gibt die Meinung des Redakteurs wieder. neue musikzeitung
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