Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten, der Deutsche Kulturrat schreckt in Zeitraffer aus seinem Sommerschlafloch auf. Nicht ohne mal feste auf den kulturpolitischen Tisch zu hauen, in diesem Fall ist es Olaf Zimmermann, dessen Geschäftsführer: „Es ist mir schier unbegreiflich, dass wir die Theater alle zur selben Zeit zumachen“, betonte er im Interview mit rbbKultur. Die Theaterferien könne man auch zeitversetzt planen – mittels Absprachen der Häuser untereinander. Pause müsse sein. Man habe aber auch einen „kulturellen Bildungsauftrag“. Zu diesem gehöre es, die Häuser so oft wie möglich offenzuhalten. (Soweit von der Website der Nachtkritik abgekupfert.) Ist natürlich wieder alles total missverständlich formuliert gewesen … und so. Aber es fängt schon beim „wir“ an. „Wir schließen die Theater“. Und machen die Festspielsaison auf: Mir ist es schier unbegreiflich, wieso man das macht. Sollen die Mitwirkenden doch gefälligst vor Ort bleiben. Sommer- und Ferienkurse … pffft. Wir brauchen da aber unbedingt ein paar Kulturrat-Schläge. Logisch. Was soll man mit so einem Sommerloch auch sonst machen. Als ich ein junger Mensch von ca. 17 Jahren war, haben mich in den Sommerferien meine Eltern mal mitgenommen nach Wien. Kirchen gucken und so. Untergekommen sind wir in einer für diesen Zweck vermieteten Privatwohnung (ich glaube, die Vermittlung damals erfolgte über Kleinanzeigen in der Wochenzeitung „Die ZEIT“, als sie noch einen Kultur- und Bildungsauftrag erfüllte und nicht für Clickbaiting bekannt war) in Favoriten. Mit der U-Bahn kam man schnell ins Zentrum und ich, es war ca. 1981/82 noch ganz ohne Internet und trotzdem so trockenheiß wie immer in Wien, ausgestattet mit ein paar Schillingen der Eltern besorgte mir Pfefferoni und ging gern zum Abkühlen ins Auktionshaus Dorotheum (?) - eigentlich war ich ja an Noten interessiert – denn, oh Wunder, nebenan war das Musikhaus Doblinger. So kommt eines zum Anderen. Geblieben ist mir die Partitur der 8. Sinfonie von Gustav Mahler aus der Zeit - von der ich dachte, darüber wirst Du mal eine große Analyse verfassen, wenn Du richtig groß bist. Das ist ja ein Wunderwerk! So viel Beziehungsreichtum in den Noten! Jetzt, so 40 Jahre später, bin ich zwar groß, aber die Analyse ist immer noch nicht fertig. :) In Erinnerung blieben mir die ganzen Konzerte im Musikvereinssaal, Eintritt frei. Aus der ganzen Welt trafen sich da „Symphonische Blasorchester“. Auch da ein kühler Raum, auch da ein gefüllter Saal. Und die Musik regelmäßig bombastisch, wie das eben so ist bei diesen Orchestern. Viele aus den USA kommend. Musikvermittlung war da noch kein Thema. Es war eben einfach ein großer Spaß. Meine Eltern waren derweil in Museen und Kirchen … Zum Schluss gab es dann ein Riesenspektakel mit vielen Orchestern auf dem Heldenplatz. (So jedenfalls meine Erinnerung). Natürlich hätte ich auch ins Theater in Wolfsburg gehen können, wenn die nicht Sommerpause gehabt hätten. Wozu in die Ferne schweifen … gilt eben so nicht auf dem Lande in der Theaterdiaspora. (Wolfsburgs Theater hat kein eigenes Ensemble, sondern „nur“ Gastspiele. Dafür ist es ein wunderbares Gebäude, erdacht von Hans Scharoun. Fast wie in Berlin die Philharmonie, nur eben deutlich kleiner.) Und wie es denn heute? Bruder trifft auf Oper im Burgenland, nicht etwa in Algermissen am Wohnort und ist hin und weg von der Carmen, die da gegeben wird. Das Theater in Algermissen hat natürlich auch Sommerpause. Und Herbstpause. Und Winterpause. Und Frühlingpause. Aber es gibt ein Sommerferienprogramm für Kinder. Boah. Uns was man sich da so freut auf die Ausübung des „kulturellen Bildungsauftrags“. Lessing für Babies. Brahms für Junggebliebene. Spotify-Party mit den Geschwistern? Nee. Aber „Boßeln“ oder „Reste-Essen - Too Good To Go“. Oder „Hobbybäcker aufgepasst! Als Start in die Ferien dekorieren wir bei dieser Aktion zusammen Cupcakes! Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Ob mit Fondant, Buttercreme oder Streuseln: Hier werden Cupcakes ordentlich verziert und verzehrt! Wichtig: Bitte zieht euch alte Kleidung an!“ Aber was weiß man schon in Sichtweite des Dorotheenstädtischen Friedhofs an den Gräbern von Fichte, Brecht, Hegel und Marcuse? Ich kann nur mahnen in Richtung Kulturbildungsauftragswelt … Macht mal Sommerpause! Sammelt vorher die Nüsse. Und dann bitte Spiel und Spaß … oder wozu man sonst gerade so Lust hat. Und damit beende ich die Sommerferien in Niedersachsen. Ab morgen wird wieder gebüffelt und gerackert (wo man sich die Sommerpause eben leisten konnte … leider ist für manche das Leben ein 24-Stunden-7-Tage-Woche-Dauertun). Beste Grüße nmz ⅞-2023 (€) Blättern - Cluster von Gordon Kampe Es ist Sommer, draußen verödet mein ohnehin durch aggressive Maulwürfe arg gebeutelter Rasen – und es ist Zeit, an den heißesten Job zu denken, den die Musikwelt zu vergeben hat. Einen Job, den jede und jeder von so… (Autor: Gordon Kampe) BERICHTE (€) Georges Aperghis' „Die Erdfabrik“: Die Welt als Klang und Grafik Joachim Lange – Die Intendanz der RuhrTriennale hatte nicht immer ein gutes Händchen für die Atmosphäre und den besonderen Charme ihrer Duisburger Kraftzentrale. Bei Aperghis „Die Erdfabrik“ greifen Spielort und Werk aber hervorragend ineinander. MELDUNGEN KULTUR & WIRTSCHAFT Preis der deutschen Schallplattenkritik: die Bestenliste 3/2023 ist erschienen Der Preis der deutschen Schallplattenkritik hat die zweite Vierteljahresliste des Jahres 2023 veröffentlicht. Die zur Zeit 156 Kritiker-Juroren des PdSK, aufgeteilt in 32 Fach-Jurys, haben aus den Neuveröffentlichungen des Tonträgermarktes aus dem letzten Quartal 31 Siegertitel für die Bestenliste gekürt. … In Kassel treffen sich Tradition und Zukunft des Musikverlagswesens Nicole Schippers, dpa – Der deutsche Musiknotenmarkt hat eine lange Tradition. Der Bärenreiter-Verlag in Kassel etwa blickt auf eine hundertjährige Geschichte zurück. Der Zukunft des Musikverlagswesen widmet sich nun ein neuer Studiengang an der Universität in der nordhessischen Stadt. Geschichte und Zukunft des Musikverlagswesens verbinden sich in Kassel. Niedersachsen/Bremen: „Singen als Breitensport“ – Chöre bangen um Nachwuchs dpa – Keine Proben während der Pandemie, ohnehin wenig Zeit und keine Muße zum Singen: Viele Kinder und Jugendliche kommen gar nicht auf die Idee, in einem Chor zu singen. Das soll sich nun ändern. Die Chöre in Niedersachsen und Bremen müssen nach der Pandemie weiter um ihren Nachwuchs kämpfen. …
VERANSTALTUNGEN Edward W. Said Days 2023 – Musik und Postkolonialismus PM - Barenboim-Said Akademie – Die Barenboim-Said Akademie und der Pierre Boulez Saal eröffnen mit den Edward W. Said Days am 26. und 27. August ihre Saison 2023/24. Kuratiert von Regula Rapp, Rektorin der Barenboim-Said Akademie, und James Helgeson, Professor für Musikwissenschaft und Komposition, findet das zweitägige Symposium anlässlich des 20. Todestags des … PREISE / PERSONEN Levit springt für Argerich ein - erste Konzerte mit Barenboim dpa – Berlin - Eine Erkrankung der Pianistin Martha Argerich (82) sorgt für eine musikalische Premiere. Erstmals unter der Leitung von Dirigent Daniel Barenboim (80) sitzt Igor Levit (36) am Klavier. Argerich musste zuvor die Auftritte im Rahmen der Sommertournee des West-Eastern Divan Orchestra mit Barenboim aus gesundheitlichen Gründen absagen. … nmz-Stellenmarkt HörBar – HörBar 92 – Spanien Albert Guinovart / Alba Eterna In den vergangenen Jahren bekam ich immer wieder einmal ein Album der offenbar recht eigenständig agierenden spanischen Sparte von Sony Music in die Hände. Die Höreindrücke waren und sind gemischt. Einerseits ist ein deutliche Engagement zu spüren, neue oder neuere Musik von der iberischen Halbinsel international bekannt zu machen. Oft sind es dabei Live-Mitschnitte, … Aus der JazzZeitung Die erweiterte Jazz-Radiowoche vom 14.08.2023 bis 20.08.2023 Martin Hufner – Ein kleiner Blick in die Radiowoche 33. Das ARD-Radiofestival hat das Jazzprogramm fest im Griff. Jedenfalls die ARD-Sender. Wir können uns so schon mal an die Zukunft des abendlichen ARD-Programms gewöhnen wie sie Anja Würzberg vom NDR für alle Kultur-Stationen der ARD ins Auge fasst … MH Bleiben Sie uns treu. Wenn Sie wünschen, empfehlen Sie uns per Mail weiter. Der Newsletter gibt nur und allein die Meinung des Redakteurs wieder. neue musikzeitung
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