Liebe Newsletterabonnent:innen, zu einem Eklat kam es vor wenigen Tagen in Amsterdam. Konzerte des Jerusalem Quartets im Concertgebouw für den 16. und 18. Mai wurden vom Management abgesagt. CANCEL CULTURE gecancelt Die Sicherheitslage sei so, dass Gefahr für Musiker, Besucher und Mitarbeiter:innen des Hauses bestünde, sagte das Hausmanagement (Kritische Masse hat berichtet). Kritik kam postwendend (hier Bernhard Neuhoff im Bayerischen Rundfunk). Es wurde auf change.org eine Petition gestartet, die in kurzer Zeit viele Unterschriften sammelte. Weitere Künster:innen unterzeichneten einen Offenen Brief, der bei slipped disc samt Unterzeichnenden (darunter Mahan Esfahani, Evgeny Kissin, MIsha Maisky oder Martha Argerich) nachzulesen ist. Und? Das Übliche? Petitionen versanden meistens regelmäßig? Nein, bereits gestern vermeldete man einen „Erfolg“. „The Jerusalem Quartet will perform this Saturday, May 18, 7pm at The Concertgebouw. The safety of staff, visitors and musicians at this concert will be safeguarded thanks to tightened security measures, adjusted visitor flow and an adjusted start time. To make the concert accessible to everyone, it will also be available via a stream on the website of The Concertgebouw.“ Und der Magager des Concertgebouw wird zitiert mit den Worten: „Every concert must be able to go ahead. The Concertgebouw fully supports its mission to connect and enrich everyone with sublime music, regardless of background, religion, culture or any distinction. We must continue to stand up for the free society we want to be. Every day.“ An sich eine Selbstverständlichkeit, dass man so agiert. Und deutlich akkurater in der Antwort als vor einigen Jahren (2018), als man ein Konzert von Feine Sahne Fischfilet am Bauhaus Dessau abgesagt hatte. Damals protestierte auch der Deutsche Kulturrat. Man muss sich jetzt nichts darauf einbilden. In Amsterdam hat man reagiert. In Dessau hat man sich blamiert. Inklusive Mediengeschlingere seitens des ZDF.
PFINGSTEN – Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen Kommen wir vor Pfingsten noch zur Ruhe? Maximilian Marcoll hat für diesen Feiertag eine Komposition geschrieben mit dem Titel „Adhan“. Zu seinem Stück schreibt der Komponist: „Pfingsten ist ein ursprünglich jüdisches Fest (Shavuot), das – laut Bibel – gerade von den Aposteln gefeiert wurde, als der Heilige Geist in sie fuhr und sie befähigte, in allen Sprachen zu sprechen, die damals in Jerusalem vertreten waren. Das Pfingstfest wurde einem bereits bestehenden jüdischen Feiertag also quasi aufmoduliert und markiert einerseits die ‚Geburt der Kirche‘, andererseits aber auch ein Gegenbild zu Babel: Die Verständigung zwischen unterschiedlichen Kulturen. Das ursprünglich für Konzerte an Pfingsten 2015 entstandene Stück besteht aus einer Aufnahme eines Muezzins und einer Dopplung seines Gesangs durch die Glocken des Carillons und durch eine Aufnahme des jüdischen Shofar. Ausgehend von der durch religiöse Kontexte aufgeladenen Aufführungssituation (Glockenturm, jüdisch-christlicher Feiertag mit Völkerverständigungskontext) werden die drei großen monotheistischen Religionen symbolisch in einer Geste verwoben.“ Auch dieses Stück kam 2015 bereits nicht zur Aufführung. Wieder aus Angst vor Übergriffen. Die ganze Geschichte und ein Gespräch mit Marcoll finden Sie in unserem nmz-Archiv: Kann ein Friedenssymbol zu provokativ sein? Inklusive Soundfile der Komposition.
Bayerischer Rundfunk Abriss Der BR schreddert ja nicht nur sein Hörfunk-Programm Stück für Stück, oder auch mal en bloc. Ebenso schreddert er seine Geschichte wie zum Beispiel sein Studiogebäude und aktuell auch seine Bibliothek. Auf Instagram melden die bayern2freunde: „Am 14. Mai wurde wieder einmal ohne Beteiligung der Mitarbeiterschaft ‘par ordre du mufti’ via Intranet-Artikel die Schließung der BR-Bibliothek bekannt gegeben. Neben der Schredderung von Bayern 2 beschließt die Intendanz nun diesen weiteren Kahlschlag gegen die Kultur! Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel: ‘Ich verstehe, dass die Schließung nun Besorgnis auslöst.’ Welch ein Hohn und welche Verachtung den Leuten gegenüber, die jeden Tag mit großer Kompetenz und leidenschaftlichem Einsatz Programm generieren! Besorgt sind die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht, sie sind empört!! „Kulturlos“, „verantwortungslos“, „fassungslos“, „Unverständnis, Wut“, „Kultur entsorgt“, „armselig, jämmerlich, peinlich, hirnlos, geistlos, schäbig“, das waren die Kommentare! Wieder einmal stellt sich die Frage: Wie weit geht Intendantin Katja Wildermuth noch bei der Zerstörung einer ihr anvertrauten Kulturinstitution? Viele verdiente, mit Preisen für ihre Arbeit ausgezeichnete Mitarbeiter haben der BR-Bibliothek ihren Nachlass anvertraut! Wertvolle Erstausgaben, gesammeltes Wissen aus Kultur, Geschichte, Religion, Philosophie, Literatur, der Künste, ein Spiegel dessen, was in 100 Jahren die Kreativen im Haus beschäftigt hat. Wirtschaftliche Gründe werden angegeben. Das Bücher-Konvolut mit 70.000 Bänden wurde von einem einzigen Bibliothekar betrieben. Geht’s noch?“ Also schauen Sie sich in nächster Zeit bei einem Antiquariat Ihrer Wahl um. Nach weiteren Informationen stückelt sich die Auflösung folgendermaßen: Einige wertvolle Buchbestände wurden bereits an öffentliche Bibliotheken und Archive weitergegeben, so zum Beispiel an das Institut für Zeitgeschichte, an das Lyrik Kabinett und an die Internationale Kinderbibliothek von Schloss Blutenburg. Eine umfangreiche Übergabe an das Zentrum für Volksmusik und Literatur (ZeMuLi) in Bruckmühl ist in Planung. Zusätzlich werden - analog zu anderen ARD-Anstalten - Bestände an ein Bücherantiquariat abgegeben. Die erste Transaktion findet am 13. und 14. Mai 2024 statt. An diesen beiden Tagen werden Buchbestände abgeholt, die aktuell im Studiobau (Haus 5) liegen. Die Aussonderung der weiteren Bestände, die aktuell im Kantinenbau (Haus 6) liegen, folgt in den kommenden Monaten. Jetzt kommen Sie gut über Pfingsten … ein Wunder wäre jetzt zur Abwechslung nicht schlecht, oder? nmz 2024/05 11 Fragen an Daniel Toledo Guillén Das zivilisatorische Erbe als Gegenkraft THEMA KI Räuber und Vielfraß? Macht KI Schülerhirne dumm? „Was uns vor der Herrschaft der Maschinen rettet“ BERICHTE Das Kölner Festival „Acht Brücken“ – Musik aus der halben Welt und von Enno Poppe Rainer Nonnenmann – Musik egal welcher Kultur und Weltgegend wird immer begeistern, sofern die Musikerinnen und Musiker mit ihren Instrumenten und Singstimmen eine vollkommene geistig-körperliche Einheit bilden. Beim Kölner Festival ACHT BRÜCKEN war dies bei zwei thematisch profilierten Schwerpunkten häufiger zu erleben. … Mozarts letzte Oper an der Staatsoper Hamburg: die Ambivalenz der „Clemenza“ Ute Schalz-Laurenze – So richtig in Gang kommen wollte das Ganze zunächst mal nicht. Zwar versuchte die niederländische Regisseurin Jetske Mijnssen in ihrer neuen Inszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts geheimnisvollen Spätwerk … MELDUNGEN Preis der deutschen Schallplattenkritik: die Bestenliste 2/2024 ist erschienen Der Preis der deutschen Schallplattenkritik hat die zweite Vierteljahresliste des Jahres 2024 veröffentlicht. Die zur Zeit 155 Kritiker-Juroren des PdSK, aufgeteilt in 32 Fach-Jurys, haben aus den Neuveröffentlichungen des Tonträgermarktes aus dem letzten Quartal 31 Siegertitel für die Bestenliste gekürt. … MUSIK, MARKT, MEDIEN FORTBILDUNG / VERANSTALTUNGEN
PERSONALIA
VERMISCHTES
nmz-Stellenmarkt (aktuell)
JazzZeitung Der Vergessene: „Misty – The Erroll Garner Story“ beim Dok-Fest München Von Oliver Hochkeppel. Festival-Weltpremiere: Georges Gachots beim Münchner Dok-Fest uraufgeführter Film erinnert an den erfolgreichsten Jazzpianisten der Fünfzigerjahre. Schon 2006 schrieb der Münchner Pianist und Autor Ernst Burger im Vorwort seiner exzellenten, im Conbrio-Verlag erschienenen Erroll-Garner-Biografie, dass Garner „nach seinem frühen Tod bei uns etwas in Vergessenheit geriet“. … Das 12. „Like A Jazz Machine“-Festival in Luxemburg Wie prächtig sich die luxemburgische Jazzszene den vergangenen Jahren entwickelt hat, konnte man gut beim inzwischen 12. „Like A Jazz Machine“-Festival in Dudelange sehen. Am augenfälligsten stand dafür vielleicht, dass Ziv Ravitz nicht nur beim Sting-Gitarristen Dominik Miller – neben dem Sänger/Saxofonisten und ehemaligem Pop-Hit-Lieferanten Curtis Stigers wohl der diesjährige Headliner, … Die erweiterte Jazz-Radiowoche vom 13.05.2024 bis 19.05.2024 Jeden Sonntag gibt es um 12 Uhr unsere Übersicht für die jeweils nachfolgende Woche. Die #Jazz-Radiowoche vom 13. bis zum 19. Mai 2024. Jazz und anderes in der HörBar Poetzsch / Dirks – Collateral Flow Reentko Dirks und Clemens Christian Poetzsch verstehen es, wie man Musik gestaltet, die nirgendwo aneckt. Das ist faszinierend wie bei der Sicherheit der Bewegungen einer über den Boden schleichenden Schlange – schlau und reizvoll wirkt das von außen. Es ist ein Dauerminireizstrom auf sieben Tracks, den die beiden auf Gitarren und Tasten erzeugen können. … Ensemble Ambidexter – Ensemble Ambidexter Reibungen sind in der Musik ein besonderes Lebenselexier. Wo nämlich alles nur glatt geht und gezogen wird, bleibt wenig Anhaftungsmöglichkeit für die Zuhörer:innen. Aber Reibungen funktionieren nicht wie selbstverständlich, also so weil sie da sind. Wenn Schmirgel auf Schmirgel trifft, kann es schlicht auch einfach nur schmerzen. Auf eine (un-)bestimmt balanciertes Chaos kommt es an. Das klappt mal besser und mal weniger gut. Davon zeugt auch dieses erste Album des Ensemble Ambidexter. Kaan Bulak – No Clouds in Haraz Diese neue Platte von Kaan Bulak lässt mich etwas ratlos zurück. … Bei Bulak und Höfele kommt die Musik auch nach 10 Minuten nicht wirklich in die Spur. Das Schiff schaukelt wie eine Eierschale auf einem Klangmeer in Dauerflaute. Keiner von den beiden ist bereit zum Rudern, beide scheinen die Lust am Steuern verloren zu haben. Auch nach 11 Tracks insgesamt und drei Kaffee … Eichheuser Quintett – Irgendwo dazwischen … «Irgendwo dazwischen» heißt das Album und legt sich damit irgendwie auch nicht fest. Ein «Dazwischen» spielt sicher auch auf die Lebenssituation an, in der sich die Musiker:innen «zwischen Studium, Berufseinstieg, Auslandsaufenthalten und was sonst noch zum Leben als Jazzmusiker*in dazugehört hat» befinden. Das lässt die konzentrierte Spielkultur besonders interessant werden. … Radio-Tipps für das Wochende Heute 15:05 bis 16:00 +++ SWR Kultur Von Christiane Seiler. (Produktion: DLF 2023). 94 Prozent aller Säugetiere sind Nutztiere. Um drei von ihnen geht es in diesem Feature: Renate, eine Hochleistungskuh, die Freilandziege Beatrix und Zuchtsau 6614. Renate steht in einem digitalisierten Stall. Alles ist züchterisch optimiert für das Leben mit dem Melkroboter. Dass Ziege Beatrix keine Milch gibt, ist auf dem Ökohof kein Problem, ihr Nebenjob ist Landschaftspflege. Sau 6614 lebt in einer wissenschaftlichen Versuchsanlage. Ihr Dasein bewegt sich zwischen Besamung, Trächtigkeit, Ferkel gebären und säugen. Wie schauen wir heute auf die jahrtausendealte Praxis der Nutztierhaltung? Bleiben Sie uns treu. Wenn Sie wünschen, empfehlen Sie uns per Mail weiter. Der Newsletter gibt die Meinung des Redakteurs wieder. neue musikzeitung
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