in einer Woche startet die Fußball Europameisterschaft und ich komme nicht umhin, an Grönemeyers WM-Song „Zeit, dass sich was dreht“ zu denken. Nicht aber wegen der Fußball-EM, es hat andere Gründe. Fangen wir unverfänglich mit der Musikwirtschaft an: Kollege Martin Hufner hat in der Juni-Ausgabe wieder einmal die Zahlen des Bundesverbands Musikindustrie und der GEMA nachgerechnet. Das hat, trotz offizieller Rekordzahlen, zu folgender Überschrift geführt: Wachstumsillusionen in der Schönfärberei – Der schleichende Niedergang der Kreativwirtschaft. Wie „Rekordzahlen“ und ein Negativtrend zusammen passen, lesen Sie in dem Artikel. Ein weiterer Grund für den Grönemeyerschen Dreh-Wurm in meinem Ohr sind die Überschwemmungs- und Hitzerekords-Schlagzeilen. Ja – wir haben es gerade ausgesprochen Nass, wenn man aber einmal den mittlerweile altbackenen Satz „think global, act local“ in „think global, understand local“ umdichtet und eine 5-minütige Recherche unternimmt, stellt man fest: Die globale Durchschnittstemperatur hat jetzt ein Jahr lang, jeden Monat einen Rekord aufgestellt. Und der liegt über dem angepeilten 1,5-Grad Ziel. Dieser Hinweis soll im übrigen keine politische Position sein. Allein schon die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels auf die Fragen nach politischer Gesinnung oder Zugehörigkeit zu reduzieren hilft niemandem. Das, was wir erleben und erleben werden, ist keine Geschmacksfrage. Die Frage ist, wie man damit umgeht und ob sich – auch in der Kulturwelt – was dreht: Autor Bernhard König hat sich entsprechend mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Musikwelt und ihre Reaktionen beschäftigt. Sein Buch „Musik und Klima“ ist heute veröffentlicht worden (ISBN 978-3-949425-04-2). Im Vorfeld dazu, hat Juan Martin Koch ein Interview mit dem Autoren geführt. Auf die Frage, ob eine seiner darin stehenden Hauptthesen „Die Klimakrise konfrontiert uns Musikliebende mit einer neuen Dimension von kultureller Verantwortung. Sie gehört ins Zentrum des musikalischen Wahrnehmens und Gestaltens.“ nicht ästhetisch und institutionell betrachtet ziemlich radikal sei, antwortet König trocken: „Nicht diese Aussage ist radikal, sondern die Folgen des Klimawandels sind es. Sie katapultieren uns alle in völlig veränderte Umgebungen und Lebensbedingungen.“ König gibt sich in dem Interview Kulturelle Transformation ist machbar aber – gerade was die Rolle der Musik betrifft – optimistisch. Eine letzte Drehung habe ich noch im Kopf: die Europawahl. Ich möchte nicht, dass es kippt – ganz bestimmt nicht –, aber drehen muss es sich meiner Meinung nach. Dass man mit Inhalten keine Wahl gewinnt, habe ich Schwellenkind zwischen Millenial und Gen-Z mittlerweile auch verstanden. Die unverfängliche Inhaltsleere der letzten Jahre war mir dann aber doch lieber, als die neue Mode, auf den Wut-Zug aufzuspringen: Es scheint, als wären alle Parteien in die Protestwähler:innen-Panik verfallen und – tja – machen sich deshalb jetzt selbst alle zu Protestparteien. Aus den Plakaten herauszulesen, wofür sich die Parteien in ihren Wahlprogrammen einsetzen, war schon immer schwierig. Wofür die Parteien stehen ist jetzt noch undeutlicher. Nur das wogegen ist so klar wie nie. Hoffentlich verfängt sich das Anheizen des gesellschaftlichen Klimas nicht weiter. Ich versuche einen kühlen Kopf zu bewahren und mit Bedacht zu wählen. Sie wissen es: Nicht zu wählen ist keine Wahl. Zum Abschluss des persönlichen Teils noch ein Hinweis: Die neue musikzeitung hat beim Carl Bechstein Wettbewerb für Kinder und Jugendliche Interpretations-Sonderpreise ausgelobt. Noch läuft die Anmeldung und die Programme können so gewählt werden, dass man diese Preise erhalten kann. Sagen Sie den entsprechenden Bekannten und Kolleg:innen gerne Bescheid: Anmeldeschluss für den Carl Bechstein Wettbewerb für Kinder und Jugendliche mit nmz-Sonderpreis in Berlin naht Ganz herzliche Grüße und ein schönes Wochenende nmz 2024/06 Wachstumsillusionen in der Schönfärberei – Der schleichende Niedergang der Kreativwirtschaft Martin Hufner – Seit ein paar Jahren, die Corona-Delle außer Acht gelassen, können der Bundesverband Musikindustrie und die GEMA mit Rekordzahlen in ihren Geschäfts- und Umsatzberichten aufwarten. Die Musikwirtschaft wächst seit 2012 kontinuierlich, die Verteilungssumme der jährlichen GEMA-Ausschüttungen ebenfalls. Alles wird besser. Aber wie vor einem Jahr an dieser Stelle, sind Zweifel angebracht… Seit einigen Jahren beschäftigt sich Bernhard König künstlerisch und publizistisch, experimentierend und musizierend mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Musikkultur. Anfang Juni erscheint in einer Kooperation der Verlage oekom und ConBrio sein Buch „Musik und Klima“. Juan Martin Koch hat den Autor dazu befragt… Außerdem kommt pünktlich zum Feierabend heute Nachmittag noch der Podcast-Beitrag zum aktuellen Übe-Dossier. Zusammen mit Patrick Hinsberger vom Podcast Wie übt eigentlich… haben Valeska und ich eine Doppelfolge zum Themenfeld „Üben, Sport & Mentale Gesundheit“ aufgenommen. Es geht darum, was Sport für Musiker:innen bedeutet, was wir übe-methodisch vom Sport gelernt haben und was wir auch noch lernen können. Beim Versand des Newsletters ist die Folge zwar noch nicht online, später findet man sie aber hier, wenn Sie ihn nicht ohnehin digital abonniert haben. Der andere Teil der Doppelfolge kommt entsprechend unter Patricks Kanälen! BERICHTE Die neuen Linien„ bei der Münchener Biennale: Premium-Performances von Oblivia und Novoflot Roland H. Dippel – Eine Uraufführung der Trias „Die neuen Linien“ zur Münchener Biennale für neues Musiktheater musste verschoben werden. „In Passage“ von Het Geluid mit Tamara Miller, und Ted Hearne hat also erst am 7. Juni Premiere … Puccini-Gold! - „Le Villi“ mit der Berliner Operngruppe im Konzerthaus Roland H. Dippel – Puccinis erste Oper „Le Villi“ ist kurz, etwas flach und ein Beitrag zum Deutsche-Romantik-Boom in Italien um 1880. Die Berliner Operngruppe machte alle Einwände gegen die Geisterstory um die Racheaktionen verblichener Frauen an ihren Schändern zunichte ... Ute Schalz-Laurenze – Die einzigartige „Urigkeit“ der Musik Olivier Messiaens speist sich aus indischen Rhythmen, aus einer ganz persönlichen Farbenlehre, aus den gotischen Kirchenfenstern, aus der Großartigkeit der Natur und noch ... Courage und Ödnis: Die Biennale-Uraufführungen „nimmersatt“ und „Shall I Build a Dam?“ by Roland H. Dippel – Was für ein Kontrast bei der Münchener Biennale für Neues Musiktheater am Montag zwischen zwei Stücken über lebenswichtige Ressourcen... MELDUNGEN Deutscher Musikrat: Europawahl am 9. Juni: Wählen gehen für Vielfalt, Demokratie und Toleranz – Jede Stimme zählt! PERSONALIA
VERANSTALTUNGEN
MUSIK, MARKT & MEDIEN Michael Kubes HörBar – Kammer- & Streichmusik Franz Anton Hoffmeister / Grüttner, Goosses „Bei Duos für Violine und Viola denkt man vermutlich eher an Salzburg, Mozart und Michael Haydn. Doch auch andere Komponisten haben sich im ausgehenden 18. Jahrhundert dieser Besetzung gewidmet – und dies nicht nur mit einem pädagogischen, sondern auch künstlerischen Impetus.“ Johann Sebastian Bach / Robert King „Was auf der Orgel eine wunderbare Übung im obligaten Spiel auf zwei Manualen und im Pedal ist [sechs Triosonaten BWV 525–530], entwickelt erst in der Umsetzung durch eine kammermusikalische Formation die rhetorisch sprechenden Züge. Robert King ist dabei mit Feingefühl und klugem Verständnis vorgegangen: Die Oberstimmen werden von Sonate zu Sonate immer wieder anderen Konstellationen zugewiesen (Violine, Viola, Oboe und Oboe d’amore), der Basso continuo wechselt ebenso in der Besetzung (Cello, Theorbe, Cembalo, Kammerorgel).“ „Man muss zweimal hinschauen, ist zunächst verwundert – und erinnert sich dann an das vermeintlich ,falsch’ besetzte Streichquartett von Anton Arensky (dort mit zwei Violoncelli). Das 2018 gegründete und in Karlsruhe beheimatete Quatuor Avium geht nochmals einen anderen Weg: In diesem Ensemble wird die Viola verdoppelt – und sogleich erlangt das vielfach durch die erste Violine brillant geführte Streichquartett in dieser überraschenden Besetzung einen viel wärmeren, geschmeidigeren Ton“ Mozart. Violinkonzerte / Gottfried van der Goltz Michael Kube findet, dass Mozarts Violinkonzerte besonders aufregend werden, „wenn sich ausgewiesene Spezialisten aus der Alten Musik-Szene dieser Werke annehmen. Der um vieles schmalere und schwieriger zu gestaltende darmbesaitete Ton vermehrt die Herausforderungen, befreit aber auch von falschen (oder als falsch empfundenen) Traditionen.“ Violin Concerto / Cecilia Zilliacus „Es ist nicht das erste Album von Cecilia Zilliacus, und es ist auch nicht ihre erste Einspielung, die dem Schaffen von Amanda Maier gewidmet ist. Nach Kammermusik folgt hier also das einsätzige Violinkonzert d-Moll von 1875 (eigentlich ein ausgedehnter Kopfsatz), der voll und ganz auf der Höhe der Zeit steht und sich fraglos auch gut im Konzertsaal machen würde.“ – Dazu Johannes Brahms und Julius Röntgen. JazzZeitung Zwischen Hardbop und Modern: CD von Werner Pusch Michael Scheiner – 75 ist kein Pappenstiel, da kann man schon zurückschauen und die eigenen Leistungen in den Blick nehmen. Wenn diese dann vor den eigenen und den Ohren anderer noch Bestand haben – sogar ohne nostalgische Verklärung… Unser geschätzter Autor und Mitarbeiter Thomas J. Krebs begann vor 57 Jahren zu fotografieren und feiert dieses Jahr sein 50-jähriges Konzertfotografie-Jubiläum: Thomas J. Krebs: Jazz-Fotoretrospektive in Unterföhring nmz-Stellenmarkt (aktuell)
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