Inszensurierter Venusberg
Die Bayerische Staatsoper teilt mit, dass man einen Facebook-Eintrag zur „Tannhäuser“-Aufführung vor einiger nicht genehmigt habe. „Zwölf Frauen treten nach und nach auf die Bühne. Im Orchestergraben dirigiert Kirill Petrenko das Vorspiel von Richard Wagners Tannhäuser. Die Frauen sind bekleidet mit langen, hellen Röcken – sonst nichts – und schießen im Rhythmus zur Musik mit Pfeil und Bogen auf eine Wand. Diese Szene aus Romeo Castelluccis Inszenierung von Tannhäuser, die 2017 Premiere an unserem Haus feierte, findet Facebook so anstößig, dass das 20-minütige Video des Tannhäuser-Vorspiels im vergangenen November gelöscht und unser Account für 24 Stunden gesperrt wurde. Es verstoße, so teilt es uns eine generische, automatische Nachricht mit, gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook. (…) Bis auf weiteres können Facebook-Nutzer das Video unserer Tannhäuser-Inszenierung deshalb nur in der zensierten Fassung, der ‚Free-the-Nipples-Edition‘, anschauen. Doch keine Sorge, die Original-Version steht immer noch in unserer Mediathek zur Verfügung.“
Wir finden es anstößig, wie Facebook mit Kunst umgeht. Und man sieht, es kann durchaus auch die „Großen“ treffen. Der Vorgang zeigt, dass Facebook nicht die Zukunft ist, sondern im Sinne freier Kunstentfaltung die Vergangenheit.
Selfieadäquate Kunst
Bei mus.er.mer.ku fragt sich Angelika Schroder: „Hauptsache Selfie-freundlich: Was macht ein Museum heute noch aus?“ Und sie schreibt: „Im Laufe der letzten Monate eröffneten immer mehr quietschbunte und spektakuläre Institutionen auf der ganzen Welt, die nur auf eines abzielen: Social-Media-Nutzer sollen hier die perfekten Kulissen für ihre Fotos finden. Der Sinn dieser Institutionen ist es nicht, Inhalte an die Besucher zu vermitteln. Ganz im Gegenteil: Es geht nur darum, möglichst Selfie-freundlich zu sein. Über Instagram, Pinterest, Snapchat und Co. werden immer mehr Besucher angelockt. Das Konzept funktioniert, die Bezeichnung der Institutionen verwirrt allerdings: Nicht wenige schmücken sich mit dem Zusatz ‚Museum‘. Das wirft die Frage auf, was Museen heute eigentlich ausmacht.“ Sie ergänzt mit etwas Melancholie in der Stimme: „Kunstkritiker, die in den letzten Monaten die erwähnten Selfie-Erlebniswelten besucht haben, berichten oft, dass sich diese Orte zwar wunderbar fotografieren lassen. Beim Besuch wirken sie aber relativ billig und hinterlassen einen kitschigen Eindruck.“
Im Musikbereich sind derlei Entwicklungen noch nicht zu beobachten, oder? Wir überlegen, wie das wohl möglich und wünschbar wäre. Denn Influenzerinnen sind die günstigen Markenbotschafter auch in der Musik.
Framing und ARD
Dass sich Institutionen viele Gedanken darüber machen, wie sie nach außen wirken und vor allem nach außen einwirken können, ist nichts Neues. Aber wehe, es handelt sich dabei um die ARD. Die hat einen Auftrag an eine Linguistin vergeben, ein Manual zu verfassen, wie man durch Sprache auf die Wirklichkeit einwirken kann. Dazu ist es wichtig, die richtigen Begriffe in die richtige Reihenfolge zu bringen und diese mit der richtigen Bedeutung zu versehen , das, kurz gesagt, bedeutet Framing. Früher hätte man das nicht weniger schön als Kampf um die Diskurshoheit genannt.
Das gefällt den Kritikern von FAZ (Michael Hanfeld) und WELT (Jan Schnellenbach) so rein gar nicht. Mir gefällt es auch nicht. Aber anders nicht. Dass sich die ARD Gedanken dazu macht, wie sie ihre Marke und ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit präsentieren lassen will, ist nur verständlich – das ist normal. Problematisch wird es dann, wenn daraus ein strenger Leitfaden der Sprachmanipulation zu werden droht. Diese Vorwürfe weist die ARD zurück. Aber das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Das Contra-Framing lässt sich nicht mehr aufhalten. Wir können zur Beunruhigung nur insofern beitragen, dass wir mutmaßen, in der nächsten Woche ist die Sache wieder durch und das nächste Medienthema wird geritten.
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