Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten, Im Fokus: Festival in Aix-en-Provence | Offenbachs „Die Banditen“ in Leipzig | Hommage an Joseph Joachim | NachrichtenDie Spielzeit geht in die Festspielzeit beinahe nahtlos über. Bei allem Erschrecken über die politischen Entwicklungen, die wir gerade miterleben müssen, scheint das Kulturleben gerade noch intakt. Wie kann das sein? Natürlich kann man sich freuen, dass die Freunde Autoritarismus nicht längst sich in den Schaltstellen des Kulturleben eingenistet haben (man sehe mal von dem Talkshow-Irrsinn ab) und ihre zerstörerische Arbeit so leicht vollziehen können (momentan haben sie ja vor allem mit sich selbst ein Problem), aber der Blick nach Ungarn oder Polen oder in die USA zeigt deutlich, das kann sich schnell ändern. Ich hatte ja einmal die Hoffnung geäußert, dass Kulturarbeit auf allen Ebenen tatsächlich das Klima verbessern würde können. Das Wurzelwerk der Vernunft und der Freundlichkeit ist wahrscheinlich doch nicht so dicht, wie man es sich gerne wünscht. Muss man da verzagen? Gewiss nicht. Vielleicht muss man aber weniger gut erprobte Wege zu gehen versuchen. Das Absurde suchen, den Humor stark machen. Böse Menschen haben nicht nur keine Lieder (die sie sehr wohl haben), sie haben vor allem keinen Humor und schon gar nicht die Fähigkeit zur Selbstkritik, denn dazu müsste man auch mal über sich selbst lachen können. Der Soziologe und Philosoph Helmuth Plessner hat sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt: Im Lachen ist der Mensch „zur Welt geöffnet“: “Und es wirkt nicht zufällig, daß der Ausbruch des Lachens unmittelbar, mehr oder weniger ‚schlagartig‘ einsetzt und wie zum Ausdruck des Geöffnetseins des Lachenden auf der Ausatmung in die Welt hineinschallt.“ Aber nein, das soll keine Anleitung zu etwas sein. Nur so ein halbtrauriger Gedanke zur Zeit. Die höheren Künste des Recyclings – Das Festival in Aix-en-Provence 2019Auf dem Programm: Mozarts “Requiem”, Puccinis “Tosca”, Weills und Brechts “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny”, Wolfgang Rihms “Jakob Lenz” und eine Uraufführung von Adam Maors “Les mille endormis”. Die Zukunft des Festivals sieht unser Rezensent allerdings skeptisch: “Angesichts der sich verändernden touristischen und kulturellen Konsumgewohnheiten könnte das Festival seine historische Mission als internationaler Leuchtturm der französischen Musiktheaterkultur erfüllt haben und beweglichen kleinen – regionalen und spezialisierten – Angeboten Platz machen.” Frieder Reininghaus ordnet ein und zu. Offenbachs „Die Banditen“ als bissiges Sommertheater zur Wiedervereinigung in LeipzigJacques Offenbachs „Die Banditen“ sind ein weitaus robusterer Brocken als das von der Leipziger Insel-Bühne bereits im Sommer 2015 am gleichen Schauplatz vom „Pariser Leben“ zum „Klein-Pariser Leben“ auffrisierte ‚Operettchen‘. Das kleine Ensemble hat sich Parodien, Stückentwicklungen und Komödien verschrieben. Zum 200. Offenbach-Geburtstag steht aber nur zum Schein der ‚Mozart der Champs Elysées‘ im Vordergrund, selbst wenn die Insel-Bühne für die sich bei Offenbach rar machenden großen Leipziger Musiktheater in die Bresche springt. Der Wahnsinn hat Dekonstruktionsmethode: Das Ensemble beschränkt sich auf Personalzahlen, mit denen Offenbach seine ersten Jahre als Theaterunternehmer bestritt. Geht das heute noch oder wieder? An der Moritzbastei schon, denn ein ‚typisches‘ Operettenpublikum gibt es dort nicht. Der Bericht von Roland H. Dippel. Hommage an Joseph Joachim – Die Musikfakultät der UdK Berlin erinnert an den Hochschul-GründerAm 31. März 1869 erhielt der große Geiger Joseph Joachim vom preußischen Kulturminister die Aufforderung, in Berlin eine Schule für Instrumentalmusik zu gründen. Weitere Einladungen, hieß es, seien geplant. So sollten Julius Stockhausen für eine Gesangschule und Clara Schumann für eine Klavierschule gewonnen werden. Da beide Kandidaten jedoch nicht kommen wollten, wurde es dann Aufgabe Joseph Joachims, sich auch um die weiteren Zweige der Musikausbildung zu kümmern. Obwohl sein Freund Johannes Brahms die Einladung als Leiter der Klavierklasse ausschlug, konnte im Oktober 1869 für 19 Studenten, darunter Eugenie Schumann, die Tochter Roberts und Claras, der Unterricht beginnen. Was sonst noch wichtig war oder wird …
Radio-Tipp20:04 bis 22:00 | WDR 3 Steve Reich: Four Organs für 4 elektronische Orgeln und Maracas | Justé Janulyté: The Colour of Water für Saxofon und Kammerorchester, Deutsche Erstaufführung | Vito Žuraj: Hors d’oeuvre für Koch-Performer und Kammerorchester, Uraufführung | Morton Feldman: The Turfan Fragments für Kammerorchester. Daniel Gottschlich, Koch-Performer; Marcus Weiss, Saxofon; Paulo Alváres und Studierende der HfMT Köln, E-Orgel und Maracas; WDR Sinfonieorchester, Leitung: Peter Rundel. Aufnahme aus der Kölner Philharmonie. Diesmal gesellt sich ein Spitzenkoch zu den Spezialisten für Neue Musik: In der WDR Auftragskomposition „Hors d’oeuvre“ von Vito Žuraj werden seine Kochgeräusche verwendet. Den Auftakt zum Konzert macht Steve Reichs „Four Organs“, das auf einem einzigen Akkord basiert. Morton Feldmans „Turfan-Fragmente“ sind inspiriert von Teppichfunden aus dem dritten bis sechsten Jahrhundert in Ost-Turkestan. Hier findet das Kammerorchester mit immer neuen Sekundreibungen feinste Klangnuancen, so wie das sich ändernde Licht auf alten Teppichfragmenten immer neue Farbreflexe hervorbringt. „The Colour of Water“ entwickelt sich in monochromen Klängen, die sich langsam verändern wie die Farbe des Wassers. Der Kölner Sternekoch Daniel Gottschlich schließlich bringt mit den Musikern die alltäglichen Rituale der Küche in all ihrer rhythmisch-klanglichen Vielfalt zum Klingen. Die Radiowoche bis zum 14.7.2019
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