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Radio zum Fingerschnippen

Die Veränderungen der Medienlandschaft im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks begleitet die nmz schon seit ewig. Was gerade beim Hessischen Rundfunk sich andeutet, war äußerst präsent bereits im Jahr 2002. Damals ließ ich in dem Artikel “Hörfunk der Zukunft: Krise der Radio-Kultur und lokale Utopiendie damaligen Protagonisten zu Wort kommen. Radio Bremen protegierte sein “neues Programm” mit Worten wie: „Das Musik-Repertoire des NordwestRadios hält Neues wie Vertrautes bereit: Ausgewählte Klassik, Smooth-Jazz zum Fingerschnippen, anspruchsvollen Pop, ‚Wave-Music’ zum ruhigen Durchatmen und Swing in bestem Klang.“ Und zu Klassik-Radio, dem Vorbild aller aktuellen Anstrengungen: “Es klingelt aus dem Radio, damit man bloß nicht Zuhören muss. Nicht anders beim ‘Klassik-Radio’: Als ihre ‘Idee’ geben die Macher Antwort auf die Frage, warum man Klassik sende: ‘Weil Klassik funktioniert! Wie keine andere Musikrichtung vermittelt Klassik ein Gefühl der Entspannung und Ausgeglichenheit, sie relaxt. Diesen Effekt nutzen immer mehr Hörer für ihr persönliches Wohlbefinden und schalten um auf Klassik-Radio. Eine Lebensart.’“

Wohlgemerkt, das war 2002, da war von YouTube noch nichts bekannt, Twitter und Facebook waren inexistent. Ich schleuderte den Bestrebungen Oskar Negts Worte entgegen: „Eine Gesellschaft, in der keine Anstrengung zu spüren ist, möglichst reichhaltige und spontane Formen, Ausdrucksformen von Sinnorientierung, von elementaren Interessen und Bedürfnissen zu schaffen, wird zukünftig immer weniger Kulturbedeutsamkeit haben(Oskar Negt, Lebendige Arbeit, enteignete Zeit. Politische und kulturelle Dimensionen des Kampfes um die Arbeitszeit, Frankfurt/M. 1984, S. 149).

Aber wenn man das offenbar fühlt, soll es natürlich die Rede von der Überalterung der Hörendenschaft ebenso richten, wie der Verweis auf das fehlende junge Publikum. Als ob das jetzt eine Neuigkeit wäre. Aber damit lässt sich heute selbst der größte Bockmist rechtfertigen. Belegen muss man das natürlich nicht.

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, reagierte auf Twitter mit der Mahnung. “#Kulturradio ist kein Nischenprogramm, es ist einer der Gründe warum es den öffentlich-rechtlichen #Rundfunk, mit seiner einmaligen Finanzierung durch ALLE, überhaupt gibt. Das sollten die Verantwortlichen nicht vergessen!”

Die Antwort wird absehbar die gleiche sein, wie sie auf den Artikel von 2002 erfolgte. Vom Bayerischen Rundfunk antwortete Christoph Lindenmeyer. “Alles ist in Bewegung – und Kultur ist das Gegenteil von Erstarrung. Wir arbeiten deshalb intensiv an einer Optimierung unseres Programms.” Na danke, Optimierung, fragt sich nur für wen? Und vielleicht noch wichtiger: mit was? Klingelts bald aus jedem Radio, optimiert?

Hessischer Rundfunk als Musikdiscounter: Umbau von hr2-kultur zur Klassikwelle?

Die Strukturen und die kulturelle Architektur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks scheint im Umbau zu sein. Offenbar gibt es Pläne, die Kulturwelle des Hessischen Rundfunks zu eine Klassikwelle zu konvertieren, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung in mehreren Beiträgen gestern ermittelte. Die Szene reagiert mit „Schock“. Erweisen sich die Reformerinnen am Ende nicht als Sargnägel eines qualitativ offensiven Rundfunks? Ein Kommentar von Martin Hufner.

Spannende Balance

Das luxemburgische „Like a Jazz Machine“-Festival lässt die heimischen Jazzer an internationalen Größen wachsen. So dehnbar der Genre-Begriff heute auch sein mag, vom Pop unterscheidet sich der Jazz meist noch dadurch, dass man ihn nicht nur als Musiker, sondern auch als Hörer lernen muss. Was mehr denn je eine schlechte Voraussetzung für ein Massenpublikum ist. Und so sind Jazzfestivals eben auch kein Geschäftsmodell wie im Pop, sondern ein Akt der Kulturvermittlung, der ohne Sponsoren oder öffentliche Förderung selten möglich ist. Oliver Hochkeppel berichtet.

Ivan Repušić verlängert seinen Vertrag als Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters bis 2023

Am Rande der Vorbereitungen eines Gastspiels des Münchner Rundfunkorchesters beim Ljubljana Festival haben der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Ulrich Wilhelm, und Ivan Repusic gestern (16. Juli) die Verlängerung des Vertrages als Chefdirigent des Münchner Rundfunkorchesters unterzeichnet. Der charismatische Kroate wird somit bis 2023 Chefdirigent des renommierten BR-Klangkörper bleiben. (Zur Meldung)

nmz-HörBar #6 von Michael Kube

Jacques Morel: Premier Livre de Pièces de Violle; La Sagna (2018). Was es doch alles noch immer zu entdecken gibt, obwohl so manches Opus schon lange als Faksimile vorliegt. Dies gilt auch für den 1709 erschienenen ersten (und einzigen) Druck mit Werken von Jacques Morel, einem Schüler von Marin Marais, über den praktisch nichts bekannt ist. Hingegen spricht seine Musik noch immer in eindrücklicher Weise zu uns.

Was sonst noch wichtig war oder wird …

Radio-Tipp

20:04 bis 22:30 | SR2 KulturRadio
Mouvement: 6. Ensemblekonzert Saarbrücken – Electric Counterpoint

Martin Frink, Stephan-Valentin Böhnlein, Michael Gärtner und Jochen Ille, Schlagzeug. Christina Vestergom, Harfe; Martin Sadowski, E-Gitarre; Ni Fan, Dirigentin. Werke von Martin Sadowski (UA), Steve Reich und Nigel Westlake sowie Improvisationen. Aufnahme vom 19. Juni 2019 aus dem aus dem Großen Sendesaal, Funkhaus Halberg, Saarbrücken

Die Radiowoche bis zum 21.7.2019

Rückblick

125. Geburtstag von Willy Rosen · Komponist, Pianist, Kabarettist (* 18. Juli 1894 in Magdeburg, † ca. 28. Oktober 1944 im KZ Auschwitz)


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