Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten, In unserer seit Jahren laufenden Rubrik der 11 Fragen gibt es heute einen Doppelschlag: Annesley Black und Ann Cleare geben hier Antworten. Das Problemfeld “Sexuelle Übergriffe” im Musikbereich bleibt leider virulent. In einer dpa-Meldung hat sich jetzt auch Jonas Kaufmann zu Wort gemeldet. Ein bisschen naiv spekuliert er: “Jetzt muss ein Regisseur extrem viel darüber nachdenken, was er vermitteln darf, ohne seine Darsteller zu Anzüglichkeiten zu verleiten.” Glaubhafte Liebesszenen auf der Bühne seien heute “ein sehr schmaler Grat”. Das ist ja eine doch recht künstliche und künstlerische Frage, die das Musiktheater allerdings schon seit Jahren begleitet - auch unabhängig von “Liebesszenen”. Deshalb erinnern wir hier einmal an eine taktlos-Sendung aus dem Jahr 2011 zum Thema: Wahnwitz Opernregie. Nachzulesen ist das Gespräch in der Zeitschrift Oper & Tanz. (Hier auch als Videomitschritt der Sendung von nmzMedia.) Zurück nach vorne Heute setzt sich die Musikabteilung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zusammen. Wahrscheinlich wird auch darüber beraten, wie mit deren Mitglied Siegfried Mauser umzugehen sein wird. Mauser ist ja bekanntlich jetzt auch letztinstanzlich wegen sexueller Übergriffe in seiner Zeit als Präsident der Hochschule für Musik und Theater in München verurteilt worden. Bislang hat die Akademie dazu eher geschwiegen, wenn sie nicht sogar ihr Mitglied von höchster Stelle sogar verteidigt hat. Moritz Eggert hatte daher neulich in einem Offenen Brief an die Akademie appelliert, mindestens den Opfern der Übergriffe eine eindeutiges Zeichen der Entschuldigung zuzusenden (lesenswert). Bernhard Neuhoff vom Bayerischen Rundfunk dazu (hier auch auf der Website des BR): “Dass man so oft das Gefühl hat, selbstverständliche Dinge betonen zu müssen, wenn es um die #MeToo-Debatte geht, wirft ein trauriges Licht auf die Klassikszene: Mein Kommentar zum Umgang der Akademie der Schönen Künste mit der Causa Mauser. Und zu der geplanten Festschrift zu dessen 65. Geburtstag. Kann es wirklich sein, dass Künstler wie Christian Gerhaher, Jörg Widmann, Peter Michael Hamel und viele andere der annoncierten Beiträger in der Öffentlichkeit keine klaren Worte gegenüber den Opfern Siegfried Mausers finden, wohl aber seine - unbestrittenen - wissenschaftlichen Verdienste feiern? Und das, nachdem führende Mitglieder der Akademie in einer erschreckend fehlgeleiteten Leserbrief-Aktion den Täter zum Opfer eines Rache-Komplotts stilisiert hatten? Moritz Eggert hat in einem sehr gut formulierten offenen Brief den Finger in die Wunde gelegt. Morgen kann uns die Musikabteilung der Akademie davon überzeugen, dass sie aus Fehlern gelernt hat - und davon, dass die "oberste Pflegstätte der Kunst" nicht aus der Zeit gefallen ist. Da ist man an der Hochschule für Musik und Theater München längst weiter. In einem Gespräch Hartmut Welscher vom Musikmagazin VAN (€) sagt der aktuelle Präsident Bernd Redmann: “Durch das Urteil ist dem juristischen Prozess ein Endpunkt gesetzt worden. Das, was jetzt rechtsstaatlich festgestellt wurde, gilt für uns als Fakt, an dem wir uns orientieren können. So haben wir zum Beispiel beschlossen, uns als Musikhochschule bei den betroffenen Frauen zu entschuldigen, und tun dies nun auch schriftlich.“ Noch eindrücklicher äußert sich jetzt auch eine von den Übergriffen Betroffene, die Mezzosopranistin Maria Collien,in einem Brief an die Bloggerinnen von Harfenduo (sehr lesenswert). “Missbrauch, sexueller wie auch psychischer, ist nicht nur, aber leider eben auch in diesem so verklärten, heiligen und unantastbaren Walhall des klassischen Musikbetriebs und der Musikvermittlung an der Tagesordnung. Gerade deshalb ist das Aufstehen der Betroffenen gegen diese abartigen Missstände dringend nötig und könnte so langfristig vielleicht tatsächlich etwas verändern.” Dagegen wirken die Äußerungen von Jonas Kaufmann eben doch deutlich naiv und fast schon ablenkend. Absurd hingegen muss in dem Zusammenhang wirken, dass demnächst eine Festschrift zum 65. Geburtstag von Siegfried Mauser erscheinen wird (dazu Alexander Strauch im Bad Blog Of Musick), an der sich zahlreiche renommierte Musikwissenschaftlerinnen beteiligt haben, ebenso Komponistinnen wie Helmut Lachenmann, Wolfgang Rihm, Peter Michael Hamel, Aribert Reimann, Manfred Trojahn oder Jörg Widmann. Ist das nur instinktlos oder nur die Trotzigkeit aus Harmlosigkeit? Die Wahrheit werden die Beteiligten wahrscheinlich für sich selbst behalten wollen. Das Buch dürfte allerdings einen neuen Titel vertragen: „Das Netzwerk“. Einer der Herausgeberinnen, Dieter Borchmeyer, schrieb seinerzeit in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung – und damit schließt sich der Kreis zur heutigen Verhandlung der Musikabteilung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste: „Man kann nur hoffen, dass in nächster Instanz das Urteil des Amtsgerichts München aufgehoben und die Ehre Siegfried Mausers wiederhergestellt wird.” Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Borchmeyer, Altpräsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, München Es ist umgekehrt gekommen. Konsequenzen? Mangelware! Theater Lübeck: Milhauds „Christophe Colomb“ im Assoziations- und TongewitterAm Theater Lübeck wird gern ausgegraben. Man sucht das Rare, das Besondere, in dieser Saison allein dreimal in Süd- oder Mittelamerika. Man fand für einen effektvollen Spielzeitauftakt Astor Piazzollas „Maria de Buenos Aires“. Im Januar 2020 wird Carl Heinrich Grauns „Montezuma“ folgen, quasi eine Fortsetzung des Geschehens um Kolumbus. Der Entdecker selbst stand jetzt im Rampenlicht, bei dem Versuch, Darius Milhauds „Christophe Colomb“ aufführbar zu machen (Premiere: 12. Oktober 2019). nmz-Podcast-Partnerin Irene Kurka –
|