Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten, Klassikstars und vegane Wurstwaren Kennen Sie eigentlich … Igor Levit? Noch nie gehört, dann lesen Sie mal bei den Kolleginnen vom VAN-Magazin. Hartmut Welscher hat unter dem Titel „Igor Levit und die Spielregeln der Aufmerksamkeitsökonomie“ (ggf. kostenpflichtig) eine detaillierte Betrachtung vorgenommen. Da schreibt er unter anderem: “Hinter den als singulär sich inszenierenden/inszenierten Klassikstars erscheint alles standardisiert und von der Stange, eine amorphe Masse unpolitischer Musikmaschinen. Die Asymmetrie wird weiter befeuert durch einen Angebotsüberhang auf dem Klassikmarkt: Immer mehr gut ausgebildete Musiker*innen betreten einen Markt, der weitgehend gesättigt ist und dessen Preise immer weiter sinken.“ Bei vielen interessanten Gedanken darin, liest man aber auch “neue” Aspekte, die so alt sind wie das Gewerbe des Klassik-Markts, das sich, wie ja Erik Satie schon wusste, nicht so deutlich von dem um das des Schweinefleisches unterscheidet. Wurstwaren sind ja aktuell auch ein Politikum, die es aber als solche noch nicht geschafft haben, die Medien mit den laufenden Bildern vollumfänglich zu bedienen. (Könnte aber kommen, denken Sie durchaus an Bernd, das Brot). Ich finde, die Marke und das Phänomen “Igor Levit” wird in der Analyse von Hartmut Welscher zugleich zu hoch und zu niedrig gehängt. Deutlich wurde mir das, als ich letzte Woche die Beethoven-Sendung des ZDF-Kulturmagazins “Aspekte” sah, in deren Zentrum in Wirklichkeit “Igor Levit” stand. Der Pianist sah sich in die Lage gedrängt, auf alles eine Antwort haben zu müssen. Zu Beethoven, zur Politik, kulminierend in einem Frage-Antwort-Test. Levit war offenbar davon überrascht. Man sah ihm an, dass er sich in seiner Haut nicht wohlfühlte; er, der eigentlich die Zügel in der Hand hält, sollte wie ein Zirkuspferdchen vorgeführt werden - live und in Farbe. Punkt 2: Am Ende hat Levit “Für Elise” von Beethoven zu spielen vor. Tat er auch. Das Fernsehen knallte über das Klavier in diesem Raum so viel Hall, dass man das Stück nun wirklich sich lieber noch von André Rieu auf der Violine mit Orchesterbrimborium gewünscht hätte. Warum? Das Vertrauen in das “Werk” und seine Interpret*innen reicht offenbar nicht hin. Wie beschämend für eine “Kultur”-Sendung. Die Spielregeln geben eben dann doch die Medien vor. Der oder die Künstler*in hat sich da dann einzufügen. Widerstand zwecklos, ohne dass man zugleich in den Verdacht gerät, bloß ein irrer Kauz zu sein; halt ein Kunst-Sonderling, ein aktueller Troubadix der Gesellschaft, die dann doch lieber ohne Kunstdarbietung sich den fleischlichen Genüssen widmet. Vor knapp zwei Jahren hat unser Chefredakteur Juan Martin Koch Igor Levit in der nmz zum Gespräch gebeten. Da sagte Levit: “Wenn ich versuche zu verstehen, was dieser Notentext mir sagt, dann liegt die Betonung darauf, dass ich es bin, der das versucht.” Für Levit gilt, dass er sich explizit nicht hinter das Werk stellen will, hinter dem er dann verschwinde. Gemessen daran, ist jedoch das mediale Interesse ein anderes: Das stellt sich vor den Musiker Levit, der sich vor das Stück stellt. Das aktuelle Problem scheint mir vielmehr zu sein, dass das Gerolle des Marktes ihn am Ende doch verschlingt. Im Gespräch mit Juan Martin Koch sagt er zwar: „Es gibt Vermarktung, selbstverständlich, aber – und jetzt kommt eine Allerweltswahrheit – die Unterschrift, die darunter steht, ist immer noch meine.“ Doch auf genügend Fälle trifft das nicht mehr zu (siehe ZDF-Aspekte). Auf andere sehr wohl: Wie den Beethoven-Sonaten-Podcast, der in der Tat an vielen Stellen sehr gelungen ist und ein Podcast über Beethovens Klaviermusik und über den Pianisten Igor Levit zugleich ist. Da fallen andererseits natürlich “Daten” zusammen (Beethoven-Jahr, Veröffentlichung der Gesamteinspielung der Beethoven-Sonaten), aber man muss trotzdem sehen, was davon substantiell ist, was ein “glücklicher” Zufall und was der “Druck des Marktes”. Damit aber Schluss einstweilen zum Thema. Uns interessiert aber schon, was Sie dazu denken. Im Brautmodengeschäft ohne Biss – Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ am Theater FreiburgIn der Inszenierung viel zu eindimensional gezeichnet, aber handwerklich präzise gearbeitet und mit einer Schaum spuckenden Toilette: Eine musikalisch ergiebige „Hochzeit des Figaro“ am Theater Freiburg sah unser Kritiker Georg Rudiger. Ecken und Kanten, Luftlöcher und Risse – Schlaglichter auf die 32. Ausgabe des Festivals Wien ModernDie 32. Ausgabe des Festivals Wien Modern stemmte die gewaltige Zahl von 109 Ur- und Erstaufführungen und bot ein breit angelegtes Programm rund um das Festivalthema „Wachstum“. An 34 Spieltagen strömten 20.216 Besucher/-innen zu 25 Spielstätten in 12 Wiener Gemeindebezirken. Regine Müller blickt zurück. Volker David Kirchner – kein Nachruf“Ich habe mich immer gefragt – Avantgarde heißt Vorhut – wann kommt das Eigentliche? Ich möchte mich nicht ein Leben lang damit zufrieden geben, immer nur die Vorhut von etwas zu sein. Also die Vorhut von was? Wann kommt das Eigentliche? Und das Eigentliche ist, was mich interessiert hat.“ (Gastbeitrag von Roman Czura) Komponisten sterben – Siri antwortetArno Lücker deckt auf. Echt! HörBar der nmzCarl Czerny: 30 Études de Mécanisme op. 849 – Nicolas Horwath (Klavier). „Tatsächlich haben auch diese Stücke einen künstlerischen Kern – wenn man ihn denn gestalterisch herausschält“ sagt Rezensent Michael Kube. Was sonst noch wichtig war oder wird …
Radio-Tipp19:05 bis 20:00 | BR-KLASSIK Von Jonas Zerweck. Die Digitalisierung prägt unsere Zeit, langsam dringt sie in alle Lebensbereiche vor. Immer stärker beeinflusst und verändert sie auch das Musikleben. Der Gitarrenschüler Fardin etwa übt zwar jeden Tag am Instrument, doch seinen Lehrer hat er nie getroffen. Unterrichtet wird er in einer Online-Musikschule. Bereits mehrere tausend Klavier- und Gitarrenschüler lernen heute ihr Instrument auf diese Weise. Doch die Möglichkeiten sind vielfältig und das Angebot ist auf den ersten Blick unüberschaubar: von Tutorials über Angebote der klassischen Musikschulen bis hin zu Unterricht per Videochat. Die Sendung gibt einen Überblick über die aktuellen Entwicklungen, zeigt Unterrichtsangebote im Internet via YouTube und Skype und skizziert, wie der Instrumentalunterricht von morgen funktioniert. Die Radiowoche bis zum 16.02.2020
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