[nmz-newsletter] 09.03.2020 – Premieren in Kassel, Wuppertal, Berlin und Köln | Corona-Virus | Radio-Tipps | Nachrichten Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten, Appell über den Umgang mit COVID-19 an die Musikbranche. Alles nur Panikmache? Moritz Eggert hat sich im Bad Blog Of Musick, wie ich finde sehr klug und besonnen, mit aktuellen Entwicklungen im Musik- und Kulturleben beschäftigt und den Herausforderungen, die die Ausbreitung des Virus’ mit sich bringt. Er ermittelt auch ein Worst-Case-Szenario. Und kommt zu dem Schluss: „Ich weiß, es ist total unsexy das unter Musikerkollegen zu sagen im Moment, aber ich bin sicher, dass die meisten Maßnahmen im Moment ziemlich vernünftig sind. Ich bin genau wie ihr davon betroffen – meine Konzerte fallen aus, Reisen werden abgesagt, ich könnte mich darüber sehr aufregen und habe schon jetzt viel Geld verloren. Aber all das ist mir lieber als das worst case-Szenario, das sich aus den momentanen (seriösen) Zahlen ableiten lässt. Wenn dieses einträfe, hätten wir Alle viel schlimmere Probleme als nur Konzertabsagen. Es gäbe dann auf Jahre hinweg kein kulturelles Leben mehr, wie wir es momentan kennen. Lasst es uns gemeinsam verhindern, mit Solidarität, Kollegialität, Rücksicht, Geduld und Vernunft.“ Vernunft ist wie (fast) immer kein schlechter Ratgeber. Dank geht an Moritz Eggert. Vor allem gibt es die Möglichkeit, nicht zu allem seinen eigenen Senf hinzuzufügen wie es allenthalben passiert. Sie kennen mich ja sonst wahrscheinlich als eher nicht so sprachlos. Doch, welche Information, welchen Hinweis könnte ich schon bieten, den Fachmenschen nicht viel intelligenter formulieren und die die entsprechende Kenntnis haben sowie Informationen aus medizinischen und sozialpsychologischen Erwägung. Verfolgen Sie bitte seriöse Medien weiterhin. Rechte Theaterabbau-Fantasien Was aber anliegt und großen Ärger bereitet, dem man völlig mit Vernunft und Öffentlichkeit widerstehen kann, sind beispielsweise Pläne der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt, die darauf abzielen, die Förderung von Theatern zu halbieren. André Bücker (ehemals Generalintendant am Theater Dessau-Roßlau) hat darauf hingewiesen: “Die AfD in Sachsen-Anhalt möchte den Theatern die Mittel kürzen, weil das Programm zu wenig ‘deutsch’ sei und stattdessen die Hundesteuer senken. Gute Nachrichten für den deutschen Schäferhund.” Und der Sprecher der Fraktion für derlei Themen (Namen vergessen) sagt: „Grundlage und Ausgangspunkt jeder Kulturförderung muss vielmehr ein selbstbewusstes Bekenntnis zur deutschen Identität sein, wie es allein die AfD vertritt.“ Damit hat Herr T. ins Schwarze getroffen, auch wenn die Aussage unvollständig ist sowie in sich unstimmig. Neben der AfD vertritt diese Meinung eine ganze Reihe von faschistischen und nationalsozialistischen Gruppierungen und Parteien (Namen vergessen). Sie alle zielen ja ab auf ein Stilllegung jeglicher Entwicklung - der Identitätsbegriff ist ausschließlich als ein ausschließender gedacht. Und zu schlechterletzt auch noch nur formal, so als sei das “Deutschsein” eine Qualität an sich. Das ist ja das Bittere daran. Und im Hölderlin-Jahr muss man an die späten Zeilen aus dem Briefroman “Hyperion” erinnern. Und an Adorno, der einmal einen Text “Auf die Frage: Was ist deutsch?” geschrieben hat. „Ungewiß, ob es etwas wie den Deutschen, oder das Deutsche, oder irgendein Ähnliches in anderen Nationen, überhaupt gibt. Das Wahre und Bessere in jedem Volk ist wohl vielmehr, was dem Kollektivsubjekt nicht sich einfügt, womöglich ihm widersteht. Dagegen befördert die Stereotypenbildung den kollektiven Narzißmus.“ [Band 10: Kulturkritik und Gesellschaft I/II: Auf die Frage: Was ist deutsch. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 8545 (vgl. GS 10.2, S. 691)] Achtung vor denen, die für sich reklamieren, was sie einer ganzen Gemeinschaft vorschreiben wollen, so wie es von der AfD und ihren Mitgliedern vertreten und/oder nicht bestritten wird. Jetzt aber zu den neuesten Premierenberichten und Nachrichten aus dem vielfältigen und -farbigen Musik- und Kulturleben. W wie Wiederholung – Kassels „Ring“ mit einer packenden „Götterdämmerung“ vollendetEs ist vollbracht! In Kassel, dieser Wagner- bzw. Ring-Hochburg ganz eigenen Rechts, mitten in Deutschland, gibt es wieder einen kompletten Nibelungen-Ring. Mit dem bereits fünften seit 1961 ist der Wagnernormalzustand in der documenta-Stadt damit wiederhergestellt. GMD Francesco Angelico und Oberspielleiter Markus Dietz haben ihn jetzt mit der „Götterdämmerung“ komplettiert und ihrem Publikum übergeben. Im übertragenen Sinne und am Ende sogar ganz wortwörtlich. Weiterlesen Entlarvtes Glamour-Glimmer-Elend – Die Zeitlosigkeit von Pina Bauschs Brecht-Weill-Abend in WuppertalWeniges ist „toter“ als museales Musiktheater. Das war an den Wiederbelebungsabenden von Felsenstein-, Wieland-Wagner- oder Karajan-Inszenierungen zu erleben. Doch die Pina-Bausch-Company beweist derzeit das Gegenteil: unter der nach langen Querelen nun etablierten Direktion von Bettina Wagner-Bergelt erwiesen sich Pinas „Macbeth“- und „Blaubart“-Adaptionen als erschreckend „heutig“. In die Standing Ovation am Schluss der Neueinstudierung des Brecht-Weill-Abends von 1976 stimmte auch unser Kritiker Wolf-Dieter Peter ein. Weiterlesen Torte ohne Schlacht – Barrie Koskys szenischer Liederabend „Ich wollt, ich wär’ ein Huhn“„Ein Berlin-Abend“ untertitelt die Komische Oper das bereits vor zwei Spielzeiten angekündigte, dann aber verschobene und nun endlich realisierte Kammerstück mit Liedern aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Dabei sind es nicht nur populäre Nummern verfemter Komponisten, sondern auch solcher, die sich mit dem NS-Regime arrangiert haben, durch Brecht-Lieder von Hanns Eisler konterkariert oder zu „dadaistisch-eskapistische(n) Nummern“ hochstilisiert, etwa im Bemühen, aus den Texten von Bruno Balz als dem von der Gestapo verfolgten homosexuellen Dichter der Lieder für Zarah Leander, versteckte politische Aussagen zu entlocken. Weiterlesen Geschlossener Raum für rasende Gefühle – Verdis „Il Trovatore“ an der Oper KölnWill Humburg dirigiert in Köln einen Verdi, der das Publikum in die Sitze drückt, weite dynamische Gegensätze aufspannt und das Orchester zu einem Vehikel macht, das durch große Gefühle rast. Über Tcherniakovs Interpretation dieser „Geschlossenen Gesellschaft“ lohnt es sich jedenfalls nachzudenken; Giuseppe Verdi hätte das vermutlich ganz gut gefallen, meint unser Kritiker Christoph Schulte im Walde. Weiterlesen Zusammen gehört – „Kunstlied meets Poetry Slam“ im Fabriktheater MoabitDas junge Format „Agorá“ kehrt ein Jahr nach seinem Startschuss zurück nach Berlin. Benannt nach dem Marktplatz der antiken Polis, einer bedeutenden Keimzelle des frühen zivilisatorischen Austauschs, stellt das Konzept in thematischen Blöcken poetischen Texten der Jetztzeit Lieder der klassischen Tradition gegenüber. Aus dem Poetry Slam stammt nicht nur die eine Hälfte der Bühnenpersonnage, sondern auch der Ansatz, die Kandidat*innen gegeneinander antreten zu lassen: als „Team Lied“ versus „Team Poetry“. In herkömmlicher Slam-Manier wird das Ergebnis per Applausvergleich durch das Publikum ermittelt. Weiterlesen Was sonst noch wichtig war oder wird …
Radio-Tipp (morgen früh)00:05 bis 01:00 | Deutschlandfunk Kultur Von Friederike Kenneweg. Um 1920 entwickelte Lew Termen das Theremin. Ein Rückblick auf die wechselvolle Geschichte des Instruments mit dem schwebenden Klang. Die Radiowoche bis zum 08.03.2020
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