Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,

Man kann sich nur den Kopf kratzen. Bei den Jazztagen in Dresden sitzen die Menschen dicht an dicht im Publikum. Statt Jazz gibt es einen Vortrag eine bekannten Geschichtsverschurblers. Gruppen zu 10 Personen werden gesetzt und als “freiwillige Infektionsgruppen” bezeichnet. „Diese 10er-Gruppen sind freiwillige Infektionsgruppen. Mit dem Kauf Ihres Tickets neben anderen Personen, erklären Sie sich mit der Platzierung innerhalb der Infektionsgruppe einverstanden.“ In Dresden ist das alles noch möglich gewesen. Ab heute nicht mehr. 

Wie kontraproduktiv und wie fahrlässig ist das! Während an anderen Orten um angepasste Hygienekonzepte wie in Bayern bei Kulturveranstaltungen gestritten wird. Wahrscheinlich wird es aber den großen Kamm geben, über den man alles gleichermaßen schert. Auch das ist nicht schön. Aber das Timing ist momentan nicht das beste für so eine Diskussion. 

Es ist aber sowieso nicht schön, in welche Richtung sich die Pandemie auch in Deutschland im Moment entwickelt.

Bevor ich diesen Newsletter schreibe, drehe ich immer eine kurze Runde mit meinem Hund, habe zuvor Mails und andere Newsletter gecheckt, die sozialen Medien wie Twitter und Facebook studiert. Diese kleine schöne Lüftung mit dem Hund tut dann gut. Ich erinnerte mich an den März in diesem Jahr. Da habe ich mehrfach vor Rührung geweint, als ich gesehen habe, wie engagiert sich so viele Menschen verhalten haben. Wie man zueinander stand weit überwiegend. Und wie dann eine Phase einsetzte, bei der es darum ging, das Beste aus der Situation zu machen – neue Kunstformen und Wege der Kommunikation zu entwickeln. Aber es war eine Art Aufbruch auch in der Organisation der sozialen Abfederung. Viel, wirklich viel ist dabei entstanden. Und vieles war gut, manches ging daneben. Die ganzen Probleme ließen sich nicht lösen.

Und heute? Ich werde das Gefühl nicht los, dass immer häufiger die Mentalität um sich greift, nach dem Motto: 1000 ganz (oder fast) legale Pandemie-Tricks. Die Veranstaltung in Dresden ist da ein hoffentlich nur ein ganz besonders ärgerlicher Fall.

Über einen anderen berichtet jemand auf Twitter: “Tag 16 im Coronawintersemester der Musikhochschule: Nachdem sich ein Kurs der Forderung des Lehrbeauftragten, die Masken abzunehmen und die Pflicht zu boykottieren, widersetzt, vergleicht der die Studierenden mit Mittätern und Mitwissern im Nationalsozialismus.”

Das macht nur noch sprachlos. Nein, eigentlich nicht sprachlos. Es bleibt hoffentlich auch nicht folgenlos. Bis wohin in der Zeit muss man zurückspulen, um die Ursache für derlei Verhalten zu finden und zu verändern? Also rein theoretisch?

Unsere Themen im Schnelldurchlauf:

  • Die Wunden der Vergangenheit – Andrea Moses inszeniert in Cottbus Pjotr I. Tschaikowskis Oper „Mazeppa“

  • Orchester wollen mehr Publikum

  • Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld

  • Unübersehbar #24 – nmz-Streaming-Empfehlungen vom 23.10. bis zum 30.10.2020

  • Nachrichten, Berichte und Kritiken.


Die Wunden der Vergangenheit – Andrea Moses inszeniert in Cottbus Pjotr I. Tschaikowskis Oper „Mazeppa“

In Cottbus hat sich Andrea Moses an Pjotr I. Tschaikowskis selten gespielten, gleichwohl großformatigen Dreiakter „Mazeppa“ gewagt. Es ist der Opernauftakt der Intendanz von Stephan Märki im einzigen verbliebenen Dreisparten-Haus in Brandenburg. Die in Dresden geborene Regisseurin wird mit ihren Erfahrungen, die sie als Chefregisseurin in Dessau und in Stuttgart gesammelt hat, die neue Operndirektorin am Deutschen Nationaltheater Weimar. Weiterlesen

In bester Erinnerung – Jazzneuheiten, vorgestellt von Hans-Dieter Grünefeld

Momente historischer Bedeutung bleiben langfristig im Gedächtnis. So der Satz „I have a dream“ von Dr. Martin Luther King als Signal bei seinem Kampf in den USA um die politische Gleichstellung und soziale Integration der Afro-Amerikaner sowie gegen den Vietnamkrieg. Sechs Monate nach seiner Ermordung 1968 hatten seine Worte einen besonderen Nachhall, nämlich durch ein High School-Konzert des Jazz-Revolutionärs Thelonious Monk in „Palo Alto“, so auch der Albumtitel. Weiterlesen

Unübersehbar #24 –
nmz-Streaming-Empfehlungen vom 23.10. bis zum 30.10.2020

Während sich in Augsburg eine neue Bürgerinitiative formiert, die die Sanierung des Staatstheaters in der geplanten Form in Frage stellt (siehe diesen SZ-Artikel), hat sich dort die Selbsthilfegruppe „Die anonymen Opernsänger“ formiert. Außerdem in Folge 24 unserer Streaming-Hinweise: Festivals auf durch-lässigen Abwegen, ein detektivisches Kinderkonzert und ein medial vorbildlich aufbereitetes neues Chorwerk. Sind wir nicht alle reif für die Inseln? Weiterlesen

Konzert ist keine wilde Party: Orchester wollen mehr Publikum

Bochum - Die nordrhein-westfälischen Orchestermusiker fordern abgestufte Corona-Regeln für die klassische Musik. Bei Oper und Konzert habe sich gezeigt, dass das Ansteckungsrisiko gering sei, erklärte die Orchesterkonferenz NRW am Montag in Bochum. Weiterlesen

Nachrichten | Berichte | Rezensionen


nmz 2020/10 - online

Die aktuelle nmz ist in großen Teilen jetzt auch online. (Zum Inhaltsverzeichnis)

Eingeschlossen in die Welt des Singens
Ein Buch zu Leben und Werk des Volksliedsammlers und singbewegten Aktivisten Walther Hensel

Weitere Artikel sind frei zugänglich in unserer Online-Ausgabe.


Radio-Tipp

21:00 bis 22:00 | NDR Kultur
neue musik: Solokonzerte des 21. Jahrhunderts

Von Helmut Peters. Unter der Leitung des Komponisten hat der Klarinettist Sebastian Manz gerade das 2001 für seinen finnischen Kollegen Kari Kriikkuu entstandene Klarinettenkonzert von Magnus Lindberg neu eingespielt. Grund genug, nicht nur diese Neuaufnahme in der „neuen musik“ vorzustellen, sondern über Solokonzerte der Avantgarde generell einmal zu sprechen.

Die Radiowoche bis zum 1.11.2020


Martin Hufner

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