Newsletter der nmz - Martin Hufner

Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,

der Kulturpass für 18-Jährige soll am 14. Juni endlich in die Pötte kommen. Angeblich gibt es bereits jetzt schon über 1.600.000 Produkte, die die jungen Menschen für ihre 200 Euro erwerben können; von 700 Kulturanbietenden – wie es in der Amtssprache des Bundesministeriums heißt. Das sind im Durchschnitt 2586 Produkte pro Anbietender und Anbietende. 

Nun haben wir hier ja nur einen kleinen Newsletter mit ca. 1.100 Beziehenden, aber vielleicht ist die eine oder der andere darunter, der bei der Aktion mitmacht. Das würde mich schon sehr interessieren. Gibt es dazu Erfahrungen? - Wie immer wird alles streng vertraulich behandelt, wenn Sie mir direkt an hufner@nmz.de schreiben. Machen da Theater mit? Buchhandlungen und Notengeschäfte? Instrumentenbauerinnen und -bauer? Welche Hoffnungen hegen Sie? Gibt es für den einen oder die andere Gründe, sich nicht zu beteiligen?

Ansonsten freue ich mich, dass meine Kollegin Barbara Lieberwirth aus der Meldungs- und Nachrichtenabteilung der nmz wieder zurück an ihrem Platz ist. Da können Sie nach meiner interimistischen Übernahme in der letzten Woche mit deutlich besseren Nachrichten und Meldungen rechnen. 

Kaija Saariaho ist tot. Sie starb im Alter von 70 Jahren nach einer schweren Tumorerkrankung. Sie gilt als eine der erfolgreichsten Komponistinnen und Komponisten der Gegenwart. Ich selbst habe selten so viele Trauerbekundungen in den sozialen Medien von Kolleginnen und Kollegen, von Veranstalterinnen und Veranstaltern sowie Kulturinstitutionen gelesen. Radio France erinnert umfangreich an diese Komponistin. Die diesjährigen Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt beenden ihre Programm mit der Aufführung eines Werkes von ihr. Geplant war dies nicht: „When we programmed Kaija Saariaho's orchestral piece "Orion" to close this year's Darmstadt festival on 19 August 2023, we had no idea it would become an obituary that we send to the stars.“ 

Das Archiv Frau und Musik (und ich auch) trauert um ihr Mitglied Viera Jánarčeková. Die Komponistin verstarb am 14. Mai 2023. Gleichsam ihrem halb verwunschenen, aber zauberhaften Garten war auch ihre Musik – den berührenden Nachruf von Susanne Wosnitzka lesen Sie hier.

Und sonst so: 

  • 1924: Vor 99 Jahren wird am Neuen Deutschen Theater in Prag Arnold Schönbergs musikalisches Monodrama Erwartung uraufgeführt. 

  • 1727: Bei der letzten Saisonvorstellung der Oper Astianatte von Giovanni Bononcini beschimpfen einander die beiden Primadonnen Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni auf der Bühne aufs heftigste, ein Vorfall, der für beide Sängerinnen Engagements in ganz Europa mit sich bringt.

  • 1931: Am 6. Juni brannte der Münchner Glaspalast vollständig ab, wie fünf Jahre später sein Londoner Vorbild. Der Alarm wurde um 3.30 Uhr ausgelöst. Am Morgen waren von dem Gebäude nur noch rauchende Trümmer, geschmolzenes Glas und verbogene Stahlträger übrig. Als Ursache wurde zunächst Selbstentzündung von ölgetränkter Putzwolle vermutet, später wurde jedoch nach einem Gutachten Brandstiftung als Ursache ermittelt. Bei dem Feuer wurden über 3000 Kunstwerke unwiederbringlich zerstört, darunter die komplette, 110 Gemälde umfassende, Sonderausstellung „Werke deutscher Romantiker von Caspar David Friedrich bis Moritz von Schwind“.

  • 1993: In Berlin beginnt die bis zum 11. Juni dauernde 9. Welt-AIDS-Konferenz mit etwa 14.000 Teilnehmern.

DEUTLICHER DISCLAIMER: Was immer Sie hier in unseren Kommentaren oder in den hier verlinkten Artikeln lesen, gibt immer die Meinung der Autorinnen oder Autoren oder den Wortlaut einer Pressemeldung oder Presseagentur wieder. Es ist nie mit der Chefredaktion oder der Geschäftsführung, Verlagsleitung oder den Herausgebenden abgesprochen und gibt daher nur die Meinung der jeweiligen Autorinnen und Autoren wieder.

So auch die kritischen Blitze von Christoph Becher, der in Köln und drumherum musische Veranstaltungen besucht und zusammenfasst, was der Monat da so hergegeben hat. Achtung, siehe DISCLAIMER: ICH LIEBE DAS! 

Und auch das liebe ich: „Avantgarde Bananas“ von Johannes Kreidler. All pictures in 1 (free) pdf E-Book, 73 pages. Kostenloser Download.

Und für etwas nachdenklichere Stunden unter dem Sonnenschirmschatten lege ich Ihnen den Leitartikel von Jürgen Oberschmidt in Sachen Bildung und IGLU ans Herz. Wir haben nicht nur eine Klimakrise, sondern eine der Bildung und eine der Kultur. Beides ist nichts, was jetzt gerade überraschend kommt. Oberschmidt ist aber deutlich weniger verzweifelt als ich und empfiehlt, das Staunen neu zu lernen

Nicht zur kulturellen Selbstverständlichkeit sollte werden, wie sich rechtsradikale (oder -extreme?) Netzwerke in das Kulturleben einnisten und eine Normalität damit einbrüten wollen. Aber auch die Posse um den neuen Intendanten der Festspiele Erl. Kollege Brüggemann in seinem Crescendo-Newsletter dazu: „43 KandidatInnen, die sich aufwendiger beworben hatten, wurde kurzerhand abgesagt, als Hauptsponsor Hans Peter Haselsteiner witterte, dass Jonas Kaufmann Nachfolger von Bernd Loebe als Intendant am Festspielhaus in Erl werden könnte.“ 

Natürlich gibt es Kulturleben nicht skandalfrei und kaputt. Mit Friede, Freude, Eierkuchen ist es nicht getan. Aber die mehr oder weniger geheimen Verflechtungen die manche Institution auf Kosten von Kritik zusammenhält, ist selbstschädigend auf die Dauer und führt zu chaotischen Dauerreperaturen. Wir brauchen den Streit, aber einen, der produktiv wird und nicht lähmt. Wir brauchen die Kritik, auch wenn sie denen nicht gefällt, die glauben, sie täten das Richtige. 

Hannah Arendt hat über Gotthold Ephraim Lessing einmal geschrieben: 

Auch Lessing lebte bereits in ‘finsteren Zeiten’, und er ist auf seine Weise an ihrer Finsternis zugrunde gegangen. Wir sahen, wie sehr in solchen Zeiten die Menschen das Bedürfnis haben, näher aneinander heranzurücken, und in der Wärme der Intimität den Ersatz für die Leuchtkraft zu suchen, den nur das Öffentliche spenden kann. Das heißt aber, daß sie den Streit vermeiden und möglichst nur mit Menschen zu tun haben wollen, mit denen sie nicht in einen Streit geraten können. Für eine Natur wie die Lessings war in einer solchen Zeit und einer solchen Welt der Enge wenig Raum; wo man zusammenrückte, um sich aneinander zu wärmen, rückte man von ihm ab. Und gerade er, der bis zur Streichsüchtigkeit polemisch war, konnte die Einsamkeit so wenig ertragen wie die Distanzlosigkeit einer alle Unterscheide verwischenden Brüderlichkeit. Ihm ging es ja nie darum, sich mit dem anderen, mit dem er in Streit geraten war, wirklich zu entzweien, sondern einzig darum, durch das unaufhörliche und immer wieder entfachte Sprechen über die Welt und die Dinge der Welt auch das Unmenschliche noch zu vermenschlichen. Er wollte vieler Menschen Freund, aber keines Menschen Bruder sein.“ (Hannah Arendt: Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten - Rede am 28. September 1959 bei der Entgegennahme des Lessing-Preises der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg 1999, Seite 52 f.)

Wenn man den Streit also durch Glättung oder Abwendung beilegt, was vielfach die Methode im Kulturleben ist, erhält man auch eine immer glattere Kulturlandschaft zurück, an dessen Rändern dann sich das Unheil ausbilden kann und für sich die Wahrheit einzige reklamiert - zur Not nur mit Gewalt, psychischer oder physischer Gewalt. Streitbereit oder streitbar ist man da längst nicht mehr. Darum brauchen wir Streiträume und nicht ein Driften zur einzigen und bequemen Wahrheit aus dem Dogmatismus oder des Chauvinismus des Autoritären oder unhinterfragter und schließlich unhinterfragbarer Leitbilder.

Beste Tage, Ihnen allen,
Martin Hufner

Und nie vergessen: Was immer Sie hier in unseren Kommentaren oder in den hier verlinkten Artikeln lesen, gibt immer die Meinung der Autorinnen oder Autoren oder den Wortlaut einer Pressemeldung oder Presseagentur wieder. Es ist nie mit der Chefredaktion oder der Geschäftsführung, Verlagsleitung oder den Herausgebenden abgesprochen und gibt daher nur die Meinung der jeweiligen Autorinnen und Autoren wieder.


Bechers Bilanz – Mai 2023 – Neue und neugierige Gesichter

Nach 1945 gelang es nur zwei Komponisten, über den Kreis der Neue-Musik-Afficionados hinaus im Bewusstsein der kulturellen Öffentlichkeit Anker zu werfen: Karlheinz Stockhausen und György Ligeti. Dass beide Hilfe von außen erhielten – beim einen sorgten die Beatles, beim anderen Stanley Kubrick für günstige Winde – weiß jeder, und die seltsam im rechtsfreien Raum angesiedelte Geschichte rund um „2001 – Odyssee im Weltraum“ haben wir dieser Tage mindestens einmal zu oft vernommen. Dennoch muss die Musik halten, was der Kultstatus verspricht, und da hat Ligeti eindeutig die Nase vorn. Köln feierte, wie andere auch, im Mai 2023 seinen 100. Geburtstag. Weiterlesen


nmz: Juni 2023 – LEITARTIKEL

Das Staunen neu lernen – Anmerkungen zur IGLU-Schulleistungsstudie · Von Jürgen Oberschmidt

Staunen, etwas Schönes und Großes erleben, unerwartete Wendungen im Unbekannten erforschen, Dissonanzen zwischen den Wahrheiten nachgehen und aushalten – all das gehört nicht nur zum Wesen ästhetischer Wahrnehmungsweisen, sondern zu allen kindlichen Selbst- und Weltzugängen. … Dass wir hier nicht nur das System Schule betrachten, sondern gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen den Spiegel vorhalten müssen, dürfte bereits deutlich geworden sein. Verordnete Kreativität wird hier wie dort zur Ressource des Wachstums, bereits in der Schule werden die Kinder zum Unternehmer ihrer selbst. Wo bleibt eine Zeit der Muße, der eigenen Bildung, wo doch die durch Fortschreiten und Fortschritt versprochenen Ausblicke in die Freiheit in neuen Zwängen und Notwendigkeiten münden? … Antworten gibt es von Jürgen Oberschmidt


PERSONALIA / RüCkBLeNDE / PoSt-coViD

Band- und Solistenpreise
Preisträger der Bundesbegegnung Jugend jazzt

Im Bann der Klangzauberin
Taiko Saito erhält den Berliner Jazzpreis 2023

Vor 100 Jahren – Neue Musik-Zeitung 1923/06
Kurze Musikberichte (Pfitzner und Gál)

Vor 50 Jahren – nmz 1973/06
Tage für neue Kammermusik“ in Witten

Post-COVID beim Musikfonds
Warum der Erfolg von Neustart Kultur einen kleinen Schatten wirft


BERICHTE

Wunderbare Monster? „Nixon in China“ von John Adams in Hannover

Die Präsenz der 1987 entstandenen Oper „Nixon in China“ an europäischen Opernhäusern – unter anderen Paris, Stuttgart, Koblenz und gerade erst in Dortmund – ist unübersehbar. Offensichtlich hat John Adams Oper „Nixon in China“ Konjunktur, nun auch an der Staatsoper Hannover in der Inszenierung von Daniel Kramer. Weiterlesen

In Daueranthrazit: Lorin Maazels Orwell-Oper „1984“ am Theater Regensburg

Das Theater Regensburg entwickelt sich zum Spezialhaus für Dystopisches: Nach der Uraufführung von Anton Lubchenkos eher halbgarer Samjatin-Adaption „Wir“ in der vergangenen und dem Wiederbelebungsversuch von Gottfried von Einems „Prozess“ zu Beginn dieser Spielzeit nun also „1984“. Weiterlesen

Mainz: Salome als Kind einer schrecklich netten Familie

Am Staatstheater Mainz gibt es in der neuen Inszenierung von Richard Strauss’ „Salome“ durch Alexander Nerlich gleich dreifach, zum Glück für die Inszenierung singt Daniela Köhler. Weiterlesen

Video- statt Opern-Postapokalypse: Aus Köcks & Hübners „revenants&revolutions“ wurde „A Future Game“

Der Suhrkamp Verlag nennt nicht mehr die wegen Corona 2020 geplatzte Premiere im Opernhaus Halle oder die riesige begehbare Installation bei der Münchner Biennale für Neues Musiktheater 2022 als Uraufführungsdatum von „opera opera opera! revenants&revolutions“. Das als Bühnenwerk gedachte, aber als solches bisher unaufgeführte Musiktheater war der Ursprung zum digitalen Videospielessay „Opera – A Future Game“, das derzeit in deutschen Zentren performativer Gegenwartskulturen zu sehen ist. Weiterlesen


STREITBAR

Nonverbale SWR-& Currentzis Botschaften Pro-Ukraine mit Bass Alexey Tikhomirov in Elbphilharmonie?

Die letzten Tage fragten mich einige Leute, ob ich etwas von den SWR-Symphonieorchester-Auftritten im Herbst bzw. in der Saison 2023/24 mit Teodor Currentzis in der hamburgischen Elbphilharmonie wüsste. Bisher nichts! So blätterte ich mich durch die Online-Ankündigungen und das Netz. Und Alexander Strauch fiel vom Stuhl

AfD-Mann Matthias Moosdorf trat mit Ankündigung der Theaterakademie München auf

Ich dachte, dass seit dem skandalösen Auftritt von Matthias Moosdorf jeder Institution des Freistaat Bayern in München klar wäre, wer denn dieser Mann ist. Nun ist er sogar sächsischer Abgeordneter der AfD im Bundestag, die vom Verfassungsschutzpräsidenten Haldenwang sinngemäß als rechtsextremistisch und Putin-nah bezeichnet wird. Alexander Strauch ist schwer in Sorge.


Aus der JazzZeitung


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Martin Hufner


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