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Streit ist auch nicht immer produktiv: In Halle an der Saale scheint sich eine Intendantendämmerung anzudeuten. Der Deutschlandfunk berichtet aktuell darüber, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Vertrag von Florian Lutz verlängert werden könnte, am Rande der Unwahrscheinlichkeit steht. Intendant Lutz hat in den letzten Spielzeiten das Haus ordentlich umgekrempelt, hat neue Spielflächen ins Leben gerufen, die Komponistinnen Sarah Nemtsov und Johannes Kreidler für spektakuläre Opernaufführungen gewonnen. Es gehört zum Element der Erneuerung, dass dies nicht ohne Risiko geht. Das Risiko beziffert der Autor des Deutschlandfunks mit: Kündigung der Abos – in einem Umfang von angeblich 50%. Gegenwind kommt auch von den Musikerinnen des Orchesters. „Florian Lutz schaffe ein Klima der Angst. Er agiere wie ein ‚absoluter Diktator‘, ist hinter den Kulissen zu hören,“ liest man auf der Website des Deutschlandfunks.

Dagegen stellen sich Intendanten und andere Personen des öffentlichen Lebens in einem offenen Brief bereits vom 14. Januar 2019. Darin liest man: „In Halle wird mitkünstlerischer Vision und Leidenschaft an einem Theater der Gegenwart gearbeitet, das sich in intensivem Austausch mit den Menschen der Stadt und Region befindet und mit einem vielfältigen Angebot auf die sich wandelnde Stadtgesellschaft reagiert. Wir beglückwünschen den Aufsichtsrat ausdrücklich, sich für dieses künstlerische Profil für seine Stadt entschieden zu haben!“ Zitat Ende. Das kam in Halle offenbar nicht gut. Man verbittet sich die Einmischung von außen, liest man beim Deutschlandfunk.

Wir stecken da ja nicht drin. Man hört dieses da und jenes dort. Ein bisschen unglücklich dürfen wir aber über die Formulierung der Kolleginnen vom Deutschlandfunk sein, wenn komisch gerechnet wird in der Überschrift: Gute Kritiken oder zufriedene Zuschauer? – so als gehe beides gar nicht zusammen. Nein, geht nicht? Nun, selbst wenn es so wäre, was wäre dann die richtige Konsequenz daraus? Boulevard für alle? Vielleicht ist die These aber auch ganz einfach falsch.

Es ist kein völlig neues Phänomen, zu beobachten, dass kulturelle Entwicklungsprozesse selten von jetzt auf sofort ihre Erfolge zeitigen. In einem Zeitalter, in dem Echtzeitkommunikation wie Twitter und Facebook jedoch zu folgenreichen aber nicht nachhaltigen Empörungswellen sich zu steigern vermmag, täte man sicher nicht falsch daran, die Luft aus dem Kessel zu lassen. Kultur ist spontane Pointe aber eben auch Geduld.

Unsere Berichterstattung zu Oper Halle.

Im Fokus: Musizieren mit Hörschädigung – Thementag an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Unter der Überschrift „Musizieren mit Hörschädigung – (wie) geht das?“ findet am Samstag, den 11. Mai 2019, eine interdisziplinäre musikpädagogische Tagung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH) für Menschen mit und ohne Hörschädigung statt. Lehrkräften, Betroffenen, Expertinnen und Experten sowie Studierenden soll ein innovatives Forum für Information, Austausch und Weiterbildung zu diesem wichtigen, aber vernachlässigten Thema geboten werden. Foto: Bild-Archiv fehrhoert/S. Fehr.

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Apropos: Urheberrecht im EU-Binnenmarkt (Update)

Gestern haben wir noch zum Thema EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt unsere Gedanken gesammelt. Jetzt scheint die Sache (endgültig – jetzt müssen noch die Parlamente der Mitgliedsstaaten zustimmen und das EU-Parlament) gelaufen zu sein. Der Deutsche Musikrat begrüßt die Einigung der Trilog-Verhandlungen und mit ihm sicher auch zahlreiche Urheberinnenverbände. Die GEMA hat sich in Person ihres Vorstandsvoritzenden Harald Heker schon gestern Abend gemeldet: „Wir begrüßen die heute zwischen den EU-Institutionen erzielte Einigung zum Urheberrecht. Dank der Richtlinie müssen Online-Plattformen Urheber für die Nutzung ihrer Werke endlich fair bezahlen. Das ist seit Jahren überfällig. Dennoch kursieren in der Debatte weiterhin viele Falschinformationen. Dabei wird oft außer Acht gelassen, dass das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten den Inhalt der Richtlinie in einer intensiv geführten Debatte ständig weiterentwickelt haben. Der jetzt vorliegende Entwurf der Richtlinie nimmt Online-Plattformen stärker in die Verantwortung und festigt zugleich die Position der Kreativschaffenden sowie der Internetnutzer. Für die Musikurheber wäre dies ein wichtiger Schritt, für den sich die GEMA seit Langem einsetzt. Nun ist das Europäische Parlament gefragt, grünes Licht für ein modernes Urheberrecht zu geben.“

Ärgerlich für die Gegner der Richtlinie. Als schlechte Verliererinnen rufen sie zum Sturm auf, auf, auf was eigentlich auf? Petitionen werden gestartet werden, Parlamentarierinnen werden zum Umstimmen aufgerufen werden. Das ganz große Besteck wird ausgepackt („Ende des freien Internet“ – Julia Reda [Piraten-Partei]). Und nur, weil es Technikkonzerne nicht schaffen, die Nutzung von urheberrechtlich relevantem Material zu lizenzieren? Das glaubt einem in der ganzen Galaxie kein Mensch. Außer vielleicht Sascha Lobo, der Internetdoktor und Kolumnist beim SPIEGEL. Der entwirft in seiner Kolumne folgendes Szenario: „Denn ich kann euch verraten, GroKos, die YouTuber machen gerade massiv mobil gegen die Urheberrechtsreform. (…) Und wisst ihr was, GroKos? Damals waren die millionenstarken YouTube-Öffentlichkeiten eher minderjährig, aber im Mai 2019 kann die Generation YouTube wählen. Und sie wird.“ Jetzt also Gnade uns Gott vor der Macht der YouTuberInnen. Und was werden sie dann wählen? Die PIRATEN? Oder die NPD?

Die Irrationalität der Diskussion macht beispielsweise ein heute erschienener Text in der Süddeutschen Zeitung deutlich, wenn Simon Hurtz unter der Überschrift „Upload-Filter - Dieser Kompromiss gefährdet das freie Netz“ beklagt, dass mit der Einigung im Trilog-Verfahren Upload-Filter zur Gefährdung des freien Netzes führen soll, der Autor aber immerhin zugeben muss: „Dort ist nicht explizit von "Upload-Filtern" die Rede. Aber …“ – aber wen interessieren schon Fakten. Nun machen diverse Hashtags die Runde. Offenbar handelt es sich bei den Aufgeregten um lauter CDU-Wählerinnen, denn man propagiert #niewiedercdu.

Wir können unsere Leserinnen beruhigen, in diese Hysterie steigen wir nicht ein. Gegen den Kompromiss-Vorschlag waren nicht nur die Vertreterinnen der LINKEN, der PARTEI und der Piraten, sondern ebenso Vertreterinnen der AfD, der ehemaligen NPD, der BLAUEN etc. – eine merkwürdige Allianz, aber geschenkt, man kann sich seine „Freunde“ ja nicht auswählen.

Und gewiss ist auch: Der Kompromiss wird stellt nicht alle Beteiligten zufrieden, wie es bei Kompromissen nicht ungewöhnlich ist. So sieht es auch Helga Trüpel, die für die GRÜNEN im EU-Parlament sitzt. Ihr Kommentar: „Das Ergebnis des Trilogs ist sehr gut für UrheberInnen sowie für den kreativen Sektor und die europäische Kultur- und Medienlandschaft insgesamt. Zugleich wurden die Bedenken der Reformgegner berücksichtigt: Zahlreiche Ausnahmeregelungen werden sicherstellen, dass vor allem nichtkommerzielle und private Angebote nicht unnötig beschränkt oder belastet werden. Zentrale Facetten der Netzkultur wie beispielsweise Memes werden von der Richtlinie unbehelligt bleiben. Mit dieser Reform wird das Internet frei bleiben und zugleich fair werden. Wie jeder Kompromiss ist auch dieser nicht perfekt, doch nach monatelangen und teils zähen Verhandlungen zwischen Parlament, Rat und Kommission konnte heute das bestmögliche Ergebnis erzielt werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass wir – wie bereits bei der Abstimmung über die Parlamentsposition im September 2018 – für dieses sehr gute Verhandlungsergebnis eine deutliche Mehrheit im Parlament finden werden.“

Meine Prognose: Man wird sich wieder beruhigen und ein neues Thema finden. Ganz gewiss werden wir Plattformen wie YouTube nicht beiseitespringen müssen. Die werden eine Lösung ganz selbstständig finden. Das ist deren Aufgabe für die nächste Zeit.

Mehr zum Thema in der nmz unter dem Stichwort „EU-Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“.

Was sonst noch wichtig war
Radio-Tipp

20:04 bis 21:30 | hr2-kultur
Meissner Tedeum, Kontrafaktur und Engel der Geschichte – Werke des Komponisten Wolfgang Hufschmidt (1934-2018)

Wolfgang Hufschmidt: „Meissner Tedeum“ - nach dem „Tedeum Laudamus“, deutsch von Martin Luther (1526) und einem antiphonischen Text von Günter Grass (1966) für Sopran, Chor und Orchester mit Orgel, Bariton, Vokalensemble, Bläserquintett, Klavier, Schlagzeug und Tonband - komponiert aus Anlass des 1000-jährigen Bestehens des Meißner Doms (1967/68). Die Komposition dokumentiert und protokolliert ihre Zeit, selbst wenn sie Jahre oder gar Jahrhunderte später durchaus noch Gehöriges mitzuteilen hat. Als der Essener Komponist Wolfgang Hufschmidt 1967/68 das MEISSNER TEDEUM schreibt, ein Auftragswerk der Internationalen Heinrich-Schütz-Gesellschaft aus Anlass des 1000-jährigen Bestehens des Domes zu Meißen (Sachsen), geht es ihm und dem Schriftsteller Günter Grass um einen deutsch-deutschen Dialog. Wiederholt ist die Uraufführung im Mai 1968 gefährdet. Text- wie das grenzüberschreitende Produktions- und Realisationskonzept der Komposition - hier BRD, dort DDR - sorgen für erhebliche Schwierigkeiten. Günter Grass' Kommentare zum Tedeum missfallen der kirchlichen Obrigkeit in der DDR, man spricht gar vom „Teufel im Dom“. Und die sich plötzlich einschaltende politische Staats- und Partei-Administration, an der die Diskussion selbstverständlich nicht vorbeigeht, betrachtet das Werk schließlich nicht mehr als eine nur „innerkirchliche“ Angelegenheit. Der im MEISSNER TEDEUM verhandelte Diskurs von Glauben und Glaubenskritik avanciert zum Politikum.

Dieser Newsletter wurde zusammengestellt von Martin Hufner (nmz-online-redaktion)

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