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Schwierige Zeiten

Ich bin tief erschüttert über das Wahlergebnis in Thüringen. Wir haben die Wiedervereinigung vergeigt, schreibe ich in der morgen erscheinenden neuen Politik & Kultur des @DKRKultur. Wir müssen jetzt anfangen mehr richtig zu machen, sonst vergeigen wir auch noch die Demokratie“, schreibt der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats auf seinem privaten Twitter-Account.

Was tun? Man sollte es sich mit den Antworten nicht zu leicht machen. Das fängt schon damit an, was man allgemein immer wieder unter “der Osten” zusammenfasst. Nimmt man nur die Bundesländer des “Ostens” stellt sich die Parteienlandschaft ziemlich bunt dar, mit zahlreichen Verschiebungen bei den demokratischen Parteien. Mal ist die CDU vorne, mal die SPD, mal “die Linke”. Allerdings ist überall die AFD sehr stark. Die Frage ist eben doch, wird da zum Bild, was tatsächlich zur aktuellen politisch-kulturellen Grundsubstanz gehört? Seit Jahren, ja Jahrzehnten, zeigen soziologische Forschungen, dieses Potential war immer schon da. Allerdings nahm man dafür eine Bodensatzgröße von 15 Prozent an. Autoritäre und irrational entscheidende Charaktere, rechtsextremes Gedankengut, nationalistisches Fühlen, quer durch alle Bevölkerungsschichten, blieb und bleibt offenbar stets ein Begleiter der bundes- und gesamtdeutschen Geschichte. Das manifestiert sich seit fünf Jahren auch in Wahlen. In der Partei des „autoritären Nationalradikalismus“ (kurz: AfD), wie sie der Soziologe Wilhelm Heitmeyer bezeichnet, finden diese Menschen ihre politische Heimat.

Heitmeyer versucht aber auch zu erklären, wo die zusätzlichen Stimmen herkommen (über den 15 Prozent) und macht dafür jene mitverantwortlich, die dieser Partei einen “bürgerlichen” Anschluss ermöglichen. Aber was tun? Vielleicht sorgfältig studieren, was Heitmeyer letztes Jahr veröffentlicht hat. Eine Buchempfehlung wenigstens von dieser Seite aus.

Wilhelm Heitmeyer: Autoritäre Versuchungen. Signaturen der Bedrohung 1, Suhrkamp, Berlin 2018, 394 Seiten, 18 Euro.

In einzelnen Abschnitten kann Heitmeyer auch zeigen, und das finde ich persönlich zudem bedrohlich, wie die Art und Weise des autoritären Nationalradikalismus sich zudem links davon spiegelt. Eine schleichende Vergiftung geht da vor sich. Der Ton im Umgang miteinander verroht - mindestens im politischen Diskurs (ich kann niemandem empfehlen, aktuell Diskussionen zum Thema beispielsweise auf Twitter zu verfolgen, das ist desillusionierend).

Musiktheatralische Stadtanatomie – Uraufführung von Thom Luz‘ „Olympiapark in the Dark“ im Münchner Marstalltheater

Oktoberfest und Sommertourismus hat die Stadt eben überstanden. Im gleichen Zeitraum kam das neue Team des Residenztheaters an – darunter auch der Klang-Theater-Zauberer Thom Luz. Als einer der drei Hausregisseure lud er nun ins Marstalltheater, um Einheimischen wie „Zuagroasten“ vorzuführen, wie seine neue künstlerische Heimat, wie München so klingt. Auf diese ganz andere Stadtführung begab sich auch Wolf-Dieter Peter.

Oberbeliebig: Uraufführung des Scarlatti-Projekts „Love, you son of a bitch“ an der Staatsoper Berlin

Marketingtechnisch clever angekündigt, als eine Collage von Kompositionen von Vater und Sohn Scarlatti, als Auftakt der diesjährigen Barock-Tage der Staatsoper Unter den Linden, erweist sich das jüngste Projekt der für „alternative Formate“ geschaffenen Reihe „Linden 21“ als überaus fragwürdig – mehr Selbstzweck denn ein Chiasmus von alter und neuer Musik. Die Kritik von Peter P. Pachl.

Intuitive Zusammenarbeit von Ebenbürtigen - Der Schlagwerker Paul Lovens erhält (endlich!) den Albert-Mangelsdorff-Preis

Ein Dreiländereck ist ja wohl das Mindeste. Nicht, um ständig auf der Flucht sein zu können, sondern um gewisse Freiheiten zu haben und bei Bedarf nutzen zu können. Paul Lovens, geboren 1949 in Aachen, hat dort, im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen, nahe der belgischen und der niederländischen Grenze, seine „homebase“ nie aufgegeben: eine nicht sehr große, aber ungemein geschichtshaltige und inhaltsreiche Wohnung. Obwohl er auch in Genua und in Berlin gelebt hat und inzwischen auch in Nickelsdorf im Burgenland. Obwohl er sowieso ständig in Bewegung ist, auf Tournee mit einer seiner langlebigen Bands. Oder als Herbeigelockter zu Projekten mit Musikern, mit denen zu spielen ihm selbst nicht ohne Weiteres eingefallen wäre. Hans-Jürgen Linke portraitiert den Musiker

Siegfried Mauser verlässt Bayerische Akademie der Schönen Künste

Der wegen sexueller Nötigung verurteilte Ex-Präsident der Musikhochschule München, Siegfried Mauser, ist seinem Rauswurf aus der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zuvorgekommen. Mauser habe seinen sofortigen Austritt erklärt, teilte Akademie-Präsident Winfried Nerdinger am Freitagabend mit.

Oh, weltumarmender Eros – Ikone der Mauser-Festschrift

Wir befinden uns im Jahre 2119. Just tauchte eine russische Ikone „OH, WELTUMARMENDER EROS“ aus dem Jahre 2019 auf. Dieses feierliche Bild huldigt dem Vorwort der Herausgeber der Siegfried Mauser Festschrift zu dessen 65. Geburtstag nach seiner Verurteilung wegen sexueller Nötigung zu 2 Jahren und 9 Monaten Gefängnis: Dieter Borchmeyer, Susanne Popp und Wolfram Steinbeck und ihrem Stoßgebet. Die zentrale Aussage dieses Vorworts geht so: „Seine Visionen und sein unbändiger Tatendrang, die ansteckende Spontaneität und begeisternde Vitalität haben ihm manche Kritik eingetragen – und sein bisweilen die Grenzen der ,bienséance‘ überschreitender weltumarmender Eros hat für ihn schwerwiegende rechtliche Folgen gehabt.“ Alexander Strauch mit Details.

HörBar der nmz: Sir Richard Rodney Bennett: Orchestral Works Vol. 3 – BBC Scottish Symphony Orchestra, John Wilson

Eher die Musik als seinen Namen wird man aus einem Abspann kennen: denn Richard Rodney Bennett schrieb den Filmscore zu dem Kino-Klassiker Mord im Orient-Express (1974). Von ihm selbst lediglich als musikalischer Journalismus“ abgewertet, brachte diese Arbeit dennoch ökonomische Sicherheit (nachdem Bennett bereits Schriften von Pierre Boulez ins Englische übersetzt hatte). Sein übriges Schaffen ist hierzulande aber noch immer unbekannt,” meint Rezensent Michael Kube.

Was sonst noch wichtig war oder wird …

Radio-Tipp

23:03 bis 00:00 | SWR 2
SWR2 JetztMusik: Kosmische Konstellationen – George Crumb zum 90. Geburtstag

Von Dirk Wieschollek. George Crumb hat die Musik des 20. Jahrhunderts mit einer Mystik bereichert, die keine esoterischen Untiefen bedient. Insbesondere im Klavier entstand eine Poesie des Nächtlichen, die Zahlensymbolik und Astrologie, differenzierte Geräuschfarben und Fragmente bereits existierender Musik zu neuartigen Klangkonstellationen mischte: Eine Musik, die „in tempore Belli“ (in Zeiten des Krieges) – so Crumbs Eintrag in sein Streichquartett Black Angels – die Abgründe menschlicher Existenz ebenso berührt wie Erfahrungen des Transzendenten.

Die Radiowoche bis zum 03.11.2019

 

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