Sehr geehrte Newsletterabonnentinnen und -abonnenten,

Nach so einer Woche fällt es einem schon schwer, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass die Welt im Großen und Ganzen doch nicht so schlecht ist. Es ist eigentlich ein bisschen dialektisch: Denn die Informationen, die einem die großen Medien (Fernsehen, Radio, Zeitung) senden, sind natürlich an den Krisen und Katastrophen der Gesellschaft orientiert. Politische, medizinische zum Beispiel. Darin wird abgebildet, was uns bewegen könnte. Bei den kleinen Medien wie den sozialen Medien, wo ja jeder Mensch zu Sender werden kann, wie Twitter, Facebook, Instagram, YouTubeartikuliert sich der Widerhall dieses Weltgeschehens in kommentierender Weise – regelmäßig unter Bezugnahme auf die großen Medien. (Wie war der gestrige Tatort? In welcher Talkshow hat wer was gesagt, in welche Zeitung dieses oder jenes zu Protokoll gegeben.) Bewegtes soll bewegt werden in diesen Medien. Meistens mit schnellem Richterinnen- oder Richterspruch der dort Versammelten - durch Herzchen, “Likes”, teilender Zustimmung etc. Dabei bewacht sich das Netz mittlerweile selbst: Empörung reicht heute nicht aus. Man braucht einen Schein in Empörungskunde, einen Empörungsknigge sozusagen und eine Empörungsberechtigungsbescheinigung, – sonst, so die Vorhersage, Shitstorm.

Die Dialektik ist jetzt dabei so hinterhältig, dass auch das richtig Gesagte falsch ist, wenn es der oder die Falsche sagt. Den antiaufklärerischen Impulsen der Demokratie- und Gesellschaftszerstörer, denen es wesentlich darauf ankommt, die Menschen zu selektieren anhand von Körpermerkmalen oder einer Bestimmung von Ort und Zeit ihrer Geburt, ihrer Heimaten oder ihrer gegebenenfalls angenommenen Religion, begegnen die Empörer mit gleicher Münze. Man muss da das Gefühl haben: die Idee einer gemeinsamen Erklärung der Menschenrechte wäre gescheitert.

Artikel 1

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Artikel 2

Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.

Und von mir aus sollen sie sich auch im Geiste der “Schwesterlichkeit” begegnen (und das ist ja schon wieder das Problem). Statt auf den Geist einer Haltung, sieht man immer mehr auf die Zeichenfolge, die als Wort oder Begriff daraus gebildet wurde.

Alles schwierig. Ich mag Sie aber nicht in dieser Schwermut belassen. Und gebe hier eine Anekdote zum Besten, die ich in dem Sprichwörterlexikon von Wander gefunden habe:

Ein trauernder Fürst, dem nichts mehr ein Lächeln abgewinnen konnte, gab seinem Arzte Hoffnung, von Schwermuth noch einmal geheilt zu werden, wenn man ihn zu einem herzhaften Lachen bringen könne. Dem Fürsten, der besonders schwermüthige Musik sehr liebte, wurde ein Concert veranstaltet. Der Musikdirector mit den zahlreichen Geigenspielern wollten den Fürsten im Augenblick seines Eintritts in den Saal durch eine vollständige Harmonie überraschen. Der Arzt hatte aber die kurze Zeit, welche zwischen der Stimmung der Instrumente und dem Eintritt des Fürsten vergangen war und während welcher die Musiker auf eine gegebene Veranlassung sich aus dem Orchester hatten entfernen müssen, dazu benutzt, sämmtliche Bogen der Instrumente heimlich mit Seife bestreichen zu lassen. Bei Erscheinung des Fürsten war nun alles in voller Thätigkeit, durch wiederholtes Streichen und gewaltsames Aufdrücken auf die versagenden Instrumente Töne zu erzwingen, bis endlich einer der Musiker im höchsten Verdruss rief: «Nun, Herr Gevatter, auch keinen Strich mehr!» Dieser Ausruf des Unwillens und das Sonderbare der vergeblich streichenden Musiker brachte bei dem Fürsten, den man kurz vorher mit dem Scherz bekannt gemacht hatte, dermassen zum lauten Lachen, dass der Arzt seinen Zweck glücklich erreichte. [Sprichwörterlexikon: Strich. Deutsches Sprichwörter-Lexikon, S. 45719 (vgl. Wander-DSL Bd. 4, S. 909-910)]


Musikpädagogik: Wolken, Loops und Intervalle

Die Verwendung von digitalen Medien in Form von Apps, Clouds und anderen „smarten“ Anwendungen wird in Zukunft einen wesentlichen Bestandteil beim Üben und Musizieren einnehmen. Dies bringt auch zahlreiche Veränderungen für den schulischen und instrumentalen Musikunterricht mit sich. Während diverse Cloud-Dienste neue Möglichkeiten im Bereich der Verwaltung von Organisationsabläufen und beim Zurverfügungstellen von Daten ermöglichen, bieten Apps in all ihren verschiedenen Ausführungen und Einsatzbereichen neue methodische und didaktische Möglichkeiten. Apps und andere digitale Anwendungen in der Musikpädagogik – eine Übersicht

Buchrezension: Grundlagenwerk zu einer zentralen Thematik

Irmgard Merkt: Musik – Vielfalt – Integration – Inklusion. Musikdidaktik für die eine Schule, ConBrio, Regensburg 2019, 349 S., Abb., € 34,90, ISBN 978-3-940768-84-1

Das Buch von Irmgard Merkt vermittelt Zuversicht und macht Lust darauf, sich mit der Frage zu befassen, welche Möglichkeiten einem zur Verfügung stehen, um ein Unterrichtskonzept zu entwickeln und zu verfolgen, das dazu geeignet ist, auf die Verschiedenheit von Schülerinnen und Schülern zu reagieren. Es mag daher nicht erstaunen, dass im Zusammenhang mit der von der Autorin aufgeworfenen Frage, ob es vielleicht Zeit werde, Musikunterricht ganz neu zu denken, auch das „Unterrichtsfach Glück“ sowie eine „Wertschätzende Schulentwicklung“ behandelt werden. Und der Abschnitt zum Thema „Unterrichtskulturen“ ist mit den Worten „Happy Teachers Change the World“ überschrieben. Irmgard Merkt legt ihre „Musikdidaktik für die eine Schule“ vor

Notenrezension: Ein Fest für die Sinne

Christine Busch, Franz Walka (Hg.): Die schönsten Lieder: Das große Familienliederbuch. Mit CD zum Mitsingen. 246 Seiten, Carus/Reclam 2.411/00

Jeder kennt sie, die eine Person aus der Kindheit, die zum ersten Mal ein Liederbuch mit einem aufgeschlagen hat. Manche Notenlinie findet sich in dieser Erinnerung wieder und ob man diese lesen konnte oder nicht, was bis heute bleibt, sind Bilder, Erlebnisse und vor allem Melodien, die man damals gesungen hat. Zum Jubiläumsband „Die schönsten Lieder“ im Carus Verlag

Buchrezension: Markt – Macht – Musik

Berthold Seliger: Vom Imperiengeschäft. Konzerte – Festivals – Streaming – Soziales. Wie Großkonzerne die kulturelle Vielfalt zerstören, Edition Tiamat, Berlin 2019, 343 S. € 20,00, ISBN 978-3-89320-241-6

Jens Balzer: Pop und Populismus. Über Verantwortung in der Musik, Edition Körber, Hamburg 2019, 208 S., €e 17,00, ISBN: 978-3-89684-272-5

Regelmäßig legt der Berliner Konzertagent und Musikafficionado Berthold Seliger einen kulturkritischen Band vor; mithin ein wortgewaltiger Wiederholungs- und Überzeugungstäter. Nach der Abrechnung mit den Öffentlich-Rechtlichen „I Have a Stream“ (2015) und seinem Aufruf, den emanzipatorischen „Klassikkampf“ (2017) aufzunehmen, kehrt er nun zu seinen essayistischen Anfängen zurück, zum „Geschäft mit der Musik“(2013), seinem Kerngeschäft gewissermaßen. Nur hat sich die Perspektive verändert, und statt des mehrheitlich deutschen Klein-Klein steht nun mit „Imperiengeschäft“ das weltumspannende Groß-Groß im Fokus – natürlich, die Globalisierung. Zwei Bücher zur Musikkultur im Spätkapitalismus

Was sonst noch wichtig war oder wird …

Radio-Tipp

23:03 bis 00:00 | SWR 2
SWR2 JetztMusik: Zwischen Übezelle und Konzertpodium – Etüden in der Neuen Musik

Von Jan Kopp. Obwohl Chopin, Liszt und Debussy ihr schon vor langem den Weg in den Konzertsaal geebnet haben, gilt die Etüde immer noch als ästhetisch ephemere Übeliteratur. Diese Vorstellung trennt sauber zwischen dem privaten Üben und dem öffentlichen Aufführen. Die Neue Musik bietet durch ihre Vielfalt an neuen Klang- und Spieltechniken nicht nur reichlich Anlass für Etüden und Studien; Etüden machen auch den Werkstattcharakter Neuer Musik sichtbar und erweitern den Horizont der Gattung von der Solo- zur Chor- oder Orchesteretüde.

Die Radiowoche bis zum 01.03.2020


 

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