01:05 Uhr | Deutschlandfunk Kultur
Tonart: Klassik – Moderation: Elisabeth Hahn
Als „Europas größte Komponistin“ wird Emilie Mayer (1812-1883) in der jüngst erschienenen Biographie der Historikerin Barbara Beuys im Untertitel bezeichnet. Und tatsächlich erstaunt der Blick auf das Werk von Mayer in Anbetracht der gesellschaftlichen Rolle und Stellung der Frau im 19. Jahrhundert:
Acht Sinfonien, zehn Streichquartette und fünfzehn Ouvertüren finden sich unter anderem in ihrem reichen Schaffen. Um die Musik der Komponistin Emilie Mayer, aber auch um ihre Bedeutung und damit einhergehende Erklärungsversuche ihrer heutigen Unbekanntheit geht es im Gespräch mit der Biografin Barbara Beuys.
Außerdem steht der Komponist Alexander Skrjabin im Fokus der Sendung: Zum Anlass seines 150. Geburtstages am 6. Januar gibt es historische und aktuelle Aufnahmen seiner Orchester- und Klaviermusik.
09:05 Uhr | Deutschlandfunk Kultur
Im Gespräch: Fußballtrainerin Monika Staab im Gespräch mit Katrin Heise
In mehr als 80 verschiedenen Ländern hat Monika Staab Frauenfußballteams trainiert und Trainerinnen ausgebildet. Jetzt ist die begeisterte Weltenbummlerin in Saudi-Arabien und arbeitet dort mit der ersten saudischen Frauen-Nationalmannschaft überhaupt.
19:30 bis 20:00 | Deutschlandfunk Kultur
Eine antiautoritäre Bildungsgeschichte der 1970er-Jahre – Was ist aus uns geworden?
Von Knut Benzner. 1973, der Sommer 1973, ich war 17 Jahre alt und hatte, um ein paar Namen zu nennen, noch nie etwas von Karl Marx, Siegmund Freud oder George Orwell gehört – das sollte sich ändern. Willy Brandt ist noch Bundeskanzler, Richard Nixon noch Präsident, Portugal und Spanien noch, Griechenland wieder diktatorisch, wie der Sommer war, habe ich vergessen, wahrscheinlich warm, und ich glaube, ich war zum letzten Mal mit meinen Eltern im Urlaub.
Die politische Stimmung? Diffus: Einige hatten sich von Brandt mehr versprochen, für andere war er ein Vaterlandsverräter oder, besser noch, ein vaterlandsloser Geselle.
Der Weg zur Schule dauert mit Bahn und Bus und Fußweg eine knappe Stunde, später, mit dem Käfer, eine gute halbe. Im Radio (NDR2) liefen morgens The Sweet, The Slade, Julio Iglesias, die Wings und Udo Jürgens. Nachmittags, auf dem Nach-Hause-Weg, auch.
Angetrieben vom Reformgeist der frühen 1970er-Jahre, nahm damals die landesweit erste Integrierte Gesamtschule in Hannover ihren Dienst auf.
Wir duzten unsere Lehrer, eine einzige Lehrerin verweigerte diese Neuerung, wir konnten überall rauchen, auch während des Unterrichts, wir lümmelten in den so genannten Ruhezonen rum, die Teppiche waren tatsächlich violett, und wir beobachten die verwobenen politischen Diskussionen des Lehrpersonals sowie der Mitschüler, die beim KBW waren, beim KB-Nord, bei anderen K-Gruppen.
Es kam zu Zärtlichkeiten zwischen Schülerinnen und männlichem Lehrpersonal und umgekehrt, immer einvernehmlich, und es gab eben die, die erwachten.
1776. Wir machten Abitur: In Mathematik, Kunst, Biologie, Englisch, Deutch, Musik oder in Kochen, Fußball und Tischtennis. Irgendwas funktionierte, der Jahrgang brachte Anwälte, Ärzte Diplomaten und Journalisten hervor. Die ersten Herzinfarkte und Todesfälle, erwachsene Kinder, viele Frauen und Männer kinderlos, man hatte in den 70´ern nicht durchweg Kinderwünsche.
Wir treffen uns noch immer, alle fünf Jahre. Zuletzt 2016. 2021 fiel aus, verschoben auf dieses Jahr. Was ist aus uns geworden?
19:30:00 | Ö1
John Scofield/Dave Holland Duo 2021 im Porgy & Bess, Wien
Beide sind zu unterschiedlichen Zeiten durch die Schule der Band von Miles Davis gegangen, beide gelten auf ihren Instrumenten als Großmeister des Gegenwartsjazz, waren darüber hinaus als Bandleader erfolgreich. Und obwohl sich die Wege von Dave Holland und John Scofield vor allem in den 1990er Jahren schon einige Mals gekreuzt haben, so war es doch eine kleine Sensation, als sie im Herbst 2021 im schlanken Duoformat auf Europatournee gingen: Der 75-jährige britische Grandseigneur des Kontrabasses, bekannt als virtuoser Melodiker, und der zu diesem Zeitpunkt noch 69-jährige Meister der Reduktion und des angezerrten, bluesigen E-Gitarren-Tons, sie gaben sich an zwei Abenden ein beglückendes musikalisches Stelldichein auf der Bühne des Wiener Porgy & Bess, wovon das Konzert am 4. November von Ö1 aufgenommen wurde.
Standards blieben außen vor, Holland und Scofield konzentrierten sich ausschließlich auf Kompositionen aus eigener Feder, darunter Hollands bekanntes „Homecoming“ sowie seine Ray-Brown-Hommage „Mister B“ und Scofields „Hangover“. Das ergab wunderbar reife Demonstrationen von entspanntem, aber wachsamem Duospiel. Zwei Meister, die niemandem mehr etwas zu beweisen hatten, widmeten sich der Kunst des Moments. Abgeklärt, doch routinefrei und bereit, sich selbst zu überraschen. Ein magischer Abend auf der Bühne des Porgy & Bess.
21:30 bis 22:00 | Deutschlandfunk Kultur
Einstand: „Für die Stadt ein echtes Aushängeschild“ – Die Taschenoper Lübeck
Von Ulrike Henningsen. Die Taschenoper Lübeck zeigt seit vielen Jahren, landauf, landab, wie man Kinder und Jugendliche für Musiktheater begeistern kann. Lange fanden die Aufführungen dieses preisgekrönten freien Ensembles vor allem im Theater in Lübeck statt. Nun hat die Taschenoper in der Hansestadt eine eigene feste Spielstätte gefunden. Im Theaterhaus der Gemeinnützigen sollen viele spannende Möglichkeiten für die Arbeit mit einem jungen Publikum realisiert werden. In dem Feature kommen die Taschen-Intendantin, Margrit Dürr, Mitwirkende und Förderer zu Wort und natürlich auch die Sängerinnen und Sänger der aktuellen Produktion „Das magische Game – eine Zauberflöte ab 6”.
23:03 – 24:00 | Ö1
Neues vom „allerletzten Großkomponisten“: 2021 revisited. Wolfgang Rihm und sein „Stabat Mater“ mit Christian Gerhaher und Tabea Zimmermann
Eine Singstimme und ein Instrument, mehr ist nicht nötig. Bloß für Bariton und Viola ist Wolfgang Rihms „Stabat Mater“ komponiert, das im September 2020 in Berlin uraufgeführt wurde: durch Widmungsträger von hervorragendem Rang, nämlich Tabea Zimmermann und Christian Gerhaher. Zu Mariä Empfängnis am 8. Dezember 2020 haben die beiden das Werk in München nachgespielt, nachgesungen, neu durchlebt – immerhin behandelt die mittelalterliche und seither durch alle Epochen immer wieder vertonte Dichtung den Schmerz Mariens unter dem Kreuz.
Der BR-Mitschnitt dieses Konzerts aus der traditionsreichen Reihe „musica viva“ im Prinzregententheater (pandemiebedingt ohne Publikum) steht im Zentrum einer Sendung, die das neue „Stabat Mater“ näher beleuchtet und darüber hinaus Schlaglichter auf Rihms jüngeres Schaffen wirft, vor allem mit „Male über Male 2“, gespielt vom Klarinettisten Jörg Widmann und Mitgliedern des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter Stanley Dodds.
Schon vor zwanzig Jahren wurde er als der „allerletzte Großkomponist“ bezeichnet: Wolfgang Rihm trägt es sowohl mit Fassung wie auch mit dem ihm eigenen Format, dieses bedenkenswerte Etikett, das ihm damals der bedeutende Musikpublizist Hans-Klaus Jungheinrich zugedacht hat – womit er den gebürtigen Karlsruher übrigens in die Nachfolge von Hans-Werner Henze einreihte. Rihm, der auf einen Werkkatalog von 500 Einträgen blicken kann, spricht über sich selbst als von einem „grunddefizitären Wesen mit einer großen Begabung – auch begabt zu straucheln“. So formuliert er es jedenfalls in einem 2020 veröffentlichten Dokumentarfilm von Victor Grandits, der auf [https://www.youtube.com/watch?v=N2bRP1e72js|YouTube] zu sehen ist – wobei der Originaltitel „Wolfgang Rihm – Das Vermächtnis“, der wohl auch wegen Rihms wiederkehrender Krebserkrankung gewählt wurde, für Diskussionen und Kritik gesorgt hat – auch von Rihm selbst.
Für seinen Geschmack ist diese Doku, trotz vieler Szenen liebenswerter Zweisamkeit mit seiner Frau, zu wenig lebensfroh geworden, zu trist und erdenschwer. Denn durch gesundheitliche Einschränkungen lässt sich der Renaissancemensch weder das Komponieren nehmen noch die Freude am Genuss von qualitätsvollen Kalorien und Volumsprozenten. Das hindert Rihm freilich nicht daran, sich auch und gerade in seiner Musik mit Schmerz und Abschied auseinanderzusetzen, jüngst etwa im „Stabat Mater“ – denn, so stellt er selbst lächelnd fest: „Das Beginnen, das Sein und das Enden, das ist das Sagen der Musik“.
Jahrgang 1952, wurde der Schüler von Fortner, Stockhausen und Klaus Huber Anfang der 1970er zum auffälligsten Vertreter einer jungen Generation, die gegen die Vorgaben der seriellen und postseriellen Schule aufbegehrte: „Uns muss es schütteln vor Energie, oder wir müssen lautlos sein vor Leere, dann sind wir Komponisten“, schrieb er emphatisch. In Misskredit geratenen Kategorien wie „Gefühl“ und „Innerlichkeit“ half der ebenso wortgewaltige wie fleißige Rihm in der Folge mit einer intuitiv-emotional wirkenden Tonsprache wieder auf die Sprünge, die mit besonderer Rücksicht auch auf die ältere Musikgeschichte formuliert war. Etikettierungen wie „Neue Ausdrucksmusik“ oder „Neoromantik“ tat er freilich stets ab.
Anders als Pierre Boulez, in dessen Schaffen verschiedene Werkfassungen zu einem Ideal als Ziel fortschreiten, generieren bei Rihm ältere Werke und Werkteile oft immer wieder neue, gleichberechtigte „Zustände“, in denen Früheres partiell „überschrieben“ und in neue expressive Zusammenhänge verwoben wird – etwa im Falle von „Male über Male 2“. Im Jahr 2000 als „Vier Male“ für Klarinette solo komponiert, kamen drei Jahre später Streicher hinzu und bildeten „Male über Male“, bis 2008 daraus „Male über Male 2“ für Klarinette und 9 Instrumente wurde: Male als Wiederholungsschritte und Zeichen, das Übermalen als kompositorischer Vorgang. Wolfgang Rihm: „Für mich ist Kunst eine andere Form von Atmung, von Hingabe, von Erschrecken und Umarmung und Schönheit und Furcht, von Erhabenem und Niedrigem in unauflöslicher Mischung.“ (Wiederholung vom 19. April 2021) Gestaltung: Walter Weidringer